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„Leg’ sie alle rein“, heißt es in einem Lied des Musicals „Chicago“, das am Donnerstagabend Premiere mit Promis im Palladium-Theater gefeiert hat. Die heftig umjubelte Show um Intrigen zeigt: Lügen kann so sexy sein.

Stuttgart - „Leg’ sie alle rein“, heißt es in einem Lied des Musicals „Chicago“, das am Donnerstagabend Premiere mit Promis im Palladium-Theater gefeiert hat. Die heftig umjubelte Show um Intrigen zeigt: Lügen kann so sexy sein.

Sex and Crime and Swinging Jazz. Bei der neu ins Deutsche übersetzten Produktion, die in der Originalfassung seit 18 Jahren am Broadway aufgeführt und nun mit spartanischer Kulisse, in der ein phänomenales Orchester sitzt, eins zu eins nach Möhringen exportiert wird, muss man auf der Hut sein.

Nur wenig ist so, wie es scheint.

Das Baby im Bauch der Mörderin – ein Hirngespinst! Ihre Biografie, die der Anwalt der Presse steckt – erstunken und erlogen! Ist Mary Sunshine, die Kolumnistin der „Chicago Tribune“, gar ein Mann? Das Publikum soll rätseln, weshalb im Programmheft nur der Anfangsbuchstabe des Darstellervornamens steht. „Alles Show, alles Schwindel“, singt Nigel Casey alias Billy Flynn, der aussieht wie James Bond.

Wie also sind die Lobeshymnen zu bewerten, die von den Premieren-Promis wie den Schauspierlinnen Daniela Ziegler, Michael May und Natalia Wörner im Palladium-Theater angestimmt werden? Sind sie am Ende nichts als gut getarnte Lügen?

Wer die Wahrheit fantasievoll aufbereitet – dies können VIPs von „Chicago“ lernen –, hat die Chance, vom Z- zum C-Promi aufzusteigen. Wer aber erkennt, worauf es ankommt im Leben, also nicht auf die größten Schlagzeilen, dem ist das völlig egal. Und deshalb bin ich als Kollege von Mary Sunshine gar nicht neidisch, dass zu den Premieren in Hamburg immer viel mehr A-Promis kommen als zu uns. Zum Start des Musicals „Das Wunder von Bern“, das in Kürze an der Alster loslegt, werden Fußball-Weltmeister erwartet– auf der Gästeliste von „Chicago“ stehen DFB-Ehrenpräsident Gerhard Mayer-Vorfelder und der geschasste VfB-Manager Fredi Bobic. Auf Mia Gray war im SI-Centrum Verlass. Das Model erschien im Stil der glamourösen Zwanziger mit wenig Glitzerstoff, dafür aber mit reichlich Federschmuck – an der Seite eines neuen Partners, des Sängers Oliver Kobs.

Mit der Kleiderfrage befasste sich die Künstlerin Iris Caren Herzogin von Württemberg (ihr Onkel ist das Oberhaupt des Hauses Württemberg) länger als sonst. „Auf Revuegirl zu machen wäre für mich unpassend.“ Gewohnt ist sie, dass sich viele mit ihr schmücken wollen. Der Adel, seit 1918 abgeschafft, eignet sich noch immer für den schönen Schein. Was Lügen und lange Beine angeht, kann Frl. Wommy Wonder mithalten. Die Travestielady freute sich besonders auf einen Weltstar im Publikum – auf Ute Lemper. „Die Frau ist ein Phänomen“, sagte Wommy, „ihre CD ,Life Is A Cabaret‘ lief bei mir ewig in Dauerschleife.“

Ballettintendant Eric Gauthier meinte, er liebe die Zeit, in der „Chicago“ spiele, sowie die Tanzszenen. Doch wird auch das Massenpublikum die neue Stuttgart-Show lieben, die ohne kunterbunten Kulissenwechsel eine Reduzierung auf die künstlerische Essenz darstellt? Musical at his best zwar, doch das Stück polarisiert. Es wird Jubel und Enttäuschungen geben. Das ist kein Stoff wie „Tarzan“ für die ganze Familie.

Was hätte „Tribune“-Kolumnistin Miss Sunshine über die Premiere in Stuttgart-Chicago berichtet? Sie hätte Guila Vazzoler zitiert, die Zweitbesetzung der Roxie, die unserer Zeitung sagte: „Stuttgart ist so kurvig wie ein Frauenkörper.“ Alles Schwindel?

Nein, es hängt von der Frau ab. Stuttgart hat sieben Hügel. Und weniger Barsängerinnen, die Lover töten. Aber Vorsicht, meine Herren, wenn Sie mit weiblicher Begleitung in diese Show gehen! Ihre Liebste könnte auf dumme Gedanken kommen!