Schattenriss der Schwabendiva: Fräulein Wommy Wonder spielt bis Mitte September im Theater der Altstadt. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Der Sommer ist für die Kultur die harte Zeit. Wommy Wonder hat sich ihren Erfolg hart erkämpft – auf herzliche Art. Das Fräulein spielt stets die Sommerferien durch. Stürmisch war die Premiere am neuen Ort, im Altstadt-Theater

Stuttgart - Bruddeln ist eine Kunstform, die Schwaben am allerbesten beherrschen . Frl. Wommy Wonder, eine Größe in der heimischen Kleinkunst (nicht nur, weil sie mit Perückenaufbauten und High Heels auf 2,14 Meter kommt und alle überragt), kennt sich damit aus. Etliche Landsleute, hat die Schwabendiva beobachtet, würden oft so betrübt dreinschauen, „als hätten sie bei der Beerdigung den Blumenstrauß gefangen“.

Worüber also können wir nach der mit Standing Ovations gefeierten Premiere der neuen Wommy-Show „Reizend!“ zu ihrem 35-Jahr-Bühnenjubiläum im Theater der Altstadt bruddeln? Über viel natürlich!

Die Gefahr ist groß, dass man sich kaputtlacht

Erstens: Liebes Fräulein Wonder, so schnell hauen Sie Ihre Pointen raus, dass wir kaum mit dem Lachen nachkommen. Andere Ihrer Kollegen machen aus dieser Überfülle an Gags zwei Shows und kassieren doppelt. Sie sind so aberwitzig, alles zu einem Eintrittspreis rauszuhauen.

Zweitens: Im Theater der Altstadt sehen Sie auf der Bühne noch riesiger aus als sonst, weil die Sessel im Saal tiefer liegen und von unten betrachtet Ihre Dimensionen noch üppiger werden. Warum gibt’s kein Fernglas zur Show einer „Abstandsschönheit“, wie Sie sich selbst nennen?

Drittens: Am Anfang sagen Sie, verehrtes Fräulein, bei Ihnen komme man „als Freund“ und gehe als „Pflegefall“. Wie recht Sie haben! Unverschämt ist das! Bei Ihrem Programm ist die Gefahr sehr groß, dass man sich kaputtlacht.

„Aus unserem Theater ist ein Etablissement geworden“

Vor genau 24 Jahren – am 1. August 1995 – hat Frl. Wonder zum ersten Mal ein mehrwöchiges Sommergastspiel in Stuttgart gestartet – damals noch im Renitenz-Theater. Nach weiteren Stationen im Theaterhaus, in einem Zelt sowie in der Spardawelt beim Hauptbahnhof gibt’s nun die Rückkehr zum richtigen Theatergefühl. Intendantin Susanne Heydenreich freut sich sehr über ihre Sommergäste im Theater der Altstadt beim Feuersee. „Das Team von Wommy hat aus unserem Haus ein Etablissement gemacht“, sagt sie. Es glitzert an der Decke, an den Wänden hängen große Fotos der Travestielady, eine LED-Wand (vom Fräulein mitgemacht) macht die Bühne kunterbunt. Glamour und Comedy am Feuersee.

Ins Etablissement hinein darf man aber keine Getränke nehmen (anders als bei den Sommershows von Wommy gewohnt). Im Foyer muss man umso schneller trinken. Der Saal bleibt gläserfrei, weil ein umgeworfenes Rotweinglas große Kosten verursachen könnte. Susanne Heydenreich wünscht sich, dass die Schwabendiva nun jeden Sommer zu ihr kommt. Noch in der umjubelten Premierennacht hat sie ihr das Angebot gemacht. Zum neuen Spielort hat die Schauspielerin Monika Hirschle verholfen, bei der sich Wommy vor dem Publikum bedankt. Außerdem im Saal: Humorist Winfried Wagner, DJane Alegra Cole, Äffle-Autor Heiko Volz, die Designer Renate Renner und Tobias Siewert, „Lottofee“ Chris Fleischhauer, Sänger Wolfgang Selje, Clublegende Laura Halding-Hoppenheit, Musicalsänger Peter Anders sowie Wolfgang Grube, Sprecher des ESC-Fanclubs, der Wommy seit 1991 Premiere für Premiere Blumen bringt.

Gespielt wird noch bis zum 15. September

An Lebensweiten spart das Fräulein in der neuen Show nicht. „Man ist immer nur so alt, wie das Gegenüber sich anfühlt“, lernt man und erfährt, warum es Homo sapiens heißt und nicht Hetero sapiens. Gnadenlos gut ist Wommy als Putzfrau Elfriede Schäufele. Mit einer Krone aus Staubwedel steigt sie in den Saal hinab – und die Pointen-Beats per minute steigen noch weiter an. Als Zugabe singt die Schwäbin den Frank-Sinatra-Hit „Es tat im Mai weh“ – eine Hymne auf ihre High Heels, auf die „wahren 20 Zentimenter“. Draußen hocken junge Leute auf der Feuersee-Treppe und genießen eine laue Nacht. Drinnen ist Wommy heißer als der Sommer (gespielt wird fast täglich bis zum 15. September).