Helmut Zierl und Stephanie Theiß in „Tod eines Handlungsreisenden“ Foto: Philippi

Überzeugende Ensembleleistung im Alten Schauspielhaus: Harald Demmer inszeniert Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ mit Helmut Zierl in der Titelrolle als unausweichlichen Niedergang einer Familie.

Stuttgart - Die weite Prärie, darauf ein Schild mit der Aufschrift „Buy now. Pay later“ (Jetzt kaufen. Später zahlen). Auf diesen einfachen Nenner lässt sich der Amerikanische Traum bringen. Suggeriert er doch Wohlstand, unabhängig von den Startbedingungen.

Sobald im Alten Schauspielhaus bei der Premiere von Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ am Freitagabend mit dem Gaze-Vorhang der verlockende Werbeslogan beiseite geschoben wird, blickt das Publikum in ein Haus ohne Rückwand. Die Szenerie von Oliver Kostecka zeigt sich als bodenloses Loch, das alles verschlingt, was der Handlungsreisende Willy Loman nach Hause schafft. Umbauten, Reparaturen und Ratenzahlungen zehren den Verdienst auf.

Der aus dem Fernsehen bekannte Helmut Zierl spielt die Titelrolle als einen Möchtegern, der allen Ambitionen zum Trotz ein armer Wicht geblieben ist. Er dreht auf, sobald er ein Gegenüber hat. Auf sich gestellt, kann er die Vergeblichkeit seiner Mühen kaum mehr kaschieren. Als sich seine Hoffnung auf finanzielle Rettung durch die Söhne Biff und Happy zerschlägt, opfert Loman sein Leben. Als letzten Schachzug und für seine Familie, wie er vor sich selbst mehr kleinlaut als überzeugt rechtfertigt.

Harald Demmers behutsam genaue Inszenierung führt mit analytischem Blick vor, wie unrettbar die Figuren miteinander verstrickt sind und nicht voneinander los wollen. Die Hirngespinste, die Willy Loman beherrschen, werden als von Sphärenklängen und Farblichtern begleitete Tagträume visualisiert, die sich mit dem realen Bühnengeschehen verzahnen. Überblendungen im Theater! Dabei erhalten die Zuschauer Einblick in die Vorstellungswelt der Hauptfigur, in der die Illusion das einzig Wahre ist. Der tote Bruder Ben (groß in kleiner Rolle: Frank Voss) erscheint als Allegorie eines ebenso furcht- wie skrupellosen Erfolgsmanns. Er wird Loman später in den Tod locken.

Wie krankhaft der glücklose Vertreter an der Hoffnung festhält, einmal etwas zu besitzen, „bevor’s kaputtgeht“, teilt sich nicht allein in den Dialogen mit Ehefrau Linda oder Nachbar Charley mit, die oft genug Selbstgespräche bleiben. Lomans Dilemma hat längst auf seine Familienmitglieder abgefärbt. Als wären sie Katalysatoren, machen Linda und die Söhne das mühsam Verborgene in jedem Wort und in jeder Geste sichtbar. Stephanie Theiß, die Linda verkörpert, macht aus ihrem Ringen um des Mannes Wohl ein intimes Kammerspiel. Ihre zurückhaltende Penetranz, mit der sie insbesondere Biff zur Vaterliebe antreibt, entspringt der gleichen Verzweiflung wie die Erwartung Willy Lomans, der Erstgeborene möge seinen Traum doch noch erfüllen.

Dass der Nachwuchs nicht allein an den Ansprüchen der Eltern scheitert, sondern an sich selbst, spielen die Brüder Jonas Baeck als desillusionierter Biff und Jean Paul Baeck als hyperaktiver Happy glaubhaft heraus. Es sind Maulhelden, die mächtig Wind machen und doch nicht vom Fleck kommen. Und so überzeugt in der konsequent desillusionistischen Inszenierung nicht nur Helmut Zierl als Hauptdarsteller, der seinen Kollegen viel Raum lässt, sondern das gesamte Ensemble, eingeschlossen Richard Erben, Martin Molitor und Natalie Forester in kleineren Doppelrollen.

Vorstellungen: Bis zum 4. März außer sonntags täglich um 20 Uhr, am Sonntag, 5. März, um 16 Uhr. Kartentelefon: 22 77 00.