Kurz vor dem Start: Iris Klopfer im bodenlangen weißen Abendkleid und Sophie Grau im maßgeschneiderten Frack. Foto: privat (Sophie Grau)

Die 21 Jahre alte Sophie Grau aus Fellbach und die 22-jährige Iris Klopfer aus Ludwigsburg waren das erste gleichgeschlechtliche Debütantenpaar in der Geschichte des Wiener Opernballs. Getanzt haben sie bis 5 Uhr am Freitagmorgen.

Wien/Fellbach - Was für eine rauschende Ballnacht: Sophie Grau aus Fellbach ist immer noch ganz beseelt, als sie am Freitagmittag von der vergangenen Nacht in der Wiener Staatsoper beim legendären Opernball erzählt. „Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, dieses Erlebnis ist nicht zu übertreffen“, schwärmt die Tochter der Fellbacher Bäckereiunternehmerin Ines Grau.

Weil sie die für eine Teilnahme zwingend notwendige Anforderung, die Beherrschung eines Linkswalzers, erfüllten, wurden sie angenommen

Die insgesamt elf Tanzflächen, die zahlreichen Stände mit Essen und Getränken, die vielerlei Musikstile und nicht zuletzt die netten Menschen in historischer Kulisse – all das habe sie sprachlos gemacht. „Bei diesem Ball der Bälle und in dieser Wahnsinnskulisse zu tanzen, war fantastisch“, sagt auch ihre Tanzpartnerin Iris Klopfer. Sogar im Tango hätten sich beide zu später Stunde erfolgreich versucht – das sei schon immer Iris’ Wunsch gewesen.

Dass die beiden Frauen überhaupt bei dieser hochkarätigen Veranstaltung dabei sein konnten, verdanken sie schlicht ihrer Chuzpe. Beide tanzen sehr gern, und so hatten sie sich vor einigen Monaten online auf der Ball-Website beworben. Weil sie die für eine Teilnahme zwingend notwendige Anforderung, die Beherrschung eines Linkswalzers, erfüllten, wurden sie angenommen – und durften sich nun während einer rauschenden Nacht als eines von insgesamt 144 sogenannten Debütantenpaaren auf dem wohl berühmtesten Parkett der Welt und umgeben von opulentem Blumenschmuck zu Walzerklängen drehen.

Mit ihrer Teilnahme als sogenanntes queeres Paar riefen sie ein enormes, internationales Medienecho hervor

Nach der Anreise per Bus eine Woche vor dem Großereignis lagen bereits aufregende Tage in der Kaiserstadt hinter ihnen, ehe sie am frühen Donnerstagabend schließlich mit der Tram zur Oper fuhren und dort in ihren maßgeschneiderten Frack und in das weiße, bodenlange Abendkleid schlüpfen konnten. Stundenlange Proben mit den Choreografen Maria und Christoph Santner und den anderen Paaren sowie eine Debütantenparty brachten sie hinter sich. „Dazwischen hat Iris fürs Medizinstudium gebüffelt, und ich habe mich ein bisschen ausgeruht und war beim Friseur“, erzählt die angehende Musikstudentin Sophie Grau. Mit ihrer Teilnahme als sogenanntes queeres Paar riefen sie ein enormes, internationales Medienecho hervor. Das sei ihnen so nicht ganz bewusst gewesen, als sie nach Wien reisten; tatsächlich mussten die Frauen den Journalisten aber dann unzählige Male Rede und Antwort stehen und in die Kameras lächeln.

Auch andere Debütantenpaare wurden von dem Medienecho überrascht

Dabei hatte selbst die Ball-Organisatorin Maria Großbauer noch wenige Tage zuvor erklärt: „Wir leben im Jahr 2020, da sollte das alles doch gar keine Diskussion sein.“ Sie hoffe nun nur, dass der Medienrummel für die beiden Damen nicht allzu unangenehm werde; schließlich sei man hier „weder im Zirkus, noch im Zoo“, so Großbauer. Fast wie im Zoo oder zumindest so unverstanden wie so manches Tier hinter einem Zaun müssen sich Sophie Grau und Iris Klopfer aber dennoch bisweilen gefühlt haben. Denn während der Proben hielten die Journalisten nahezu pausenlos ihre Kameras auf sie und bedrängten sie offenbar teilweise extrem, sich doch endlich einmal zu küssen. „Kiss, kiss“, wurde demnach immer wieder laut gerufen – und das, obwohl die beiden gar kein Liebespaar sind und größten Wert darauf legen, dass sie weder homo- noch heterosexuell sind.

Bis früh um 5 Uhr wurde mit den neuen Freunden gefeiert

Auch andere Debütantenpaare wurden von dem Medienecho überrascht, äußerten sich aber gleichzeitig begeistert von der Zulassung der Schwäbinnen zum Ball. „Dass die beiden hier mittanzen, zeigt doch eine Entwicklung in Richtung Offenheit“, findet etwa die Debütantin Julia Schwendenwein, und Ball-Chefin Maria Großbauer konstatiert: „Wir sind ein Haus der Kunst und für alles offen. Ich freue mich, dass die beiden dabei sind.“

Viele nette Menschen hätten sie unter den anderen Debütanten während der Zeit in Wien kennengelernt, berichtet Sophie Grau. Und im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, dass es sich bei den reichen Söhnen und Töchtern aus besten Häusern womöglich um arrogante Zicken handeln könnte, haben die beiden „queer of the night“, wie sie von einem ORF-Moderator genannt wurden, nur Positives zu berichten. „Alle, die hier waren, wollten einfach nur tanzen, und sonst gar nichts.“ Alle seien „mega gechilled“ und „megacool“. „Die Paare, die um uns herum getanzt haben, sind mittlerweile richtig gute Freunde von uns“, sagen beide. Bis früh um 5 Uhr wurde mit den neuen Freunden gefeiert, ehe es am Freitagnachmittag nach ein paar wenigen Stunden Schlaf mit dem Bus wieder gen Heimat ging: müde, aber extrem glücklich über das Erlebte.