Patrick Hager (Nummer 50) erzielt das 1:0 im Spiel gegen Norwegen. Foto: Getty

Nach dem hart erarbeiteten und erst im Penaltyschießen gesicherten 2:1-Sieg über Norwegen trifft das deutsche Eishockey-Team im K.-o.-Spiel auf die Schweiz. Und baut durch den ersten Erfolg in Pyeongchang auf frischen Rückenwind.

Pyeongchang - Es hatte etwas vom „Quizduell“. Marco Sturm stand da in seinem adretten Anzug, die Krawatte säuberlich gebunden, und plötzlich erwischte ihn diese Frage wie ein Check von hinten, wenn einem damit die Luft aus dem Brustkasten gepresst wird. „Wissen Sie, wann einer deutschen Mannschaft zuletzt ein Sieg bei Olympia gelungen ist?“ Der Bundestrainer überlegte laut. „In Vancouver dürfte keiner dabei gewesen sein, in Turin habe ich gefehlt – es müsste Salt Lake gewesen sein“, lautete die Antwort. Treffer. Bei den Spielen 2002 gab es ein 4:1 über Lettland. Dass die Wartezeit 16 Jahre betragen hat, liegt mit daran, dass sich die deutschen Eishockey-Männer nicht für die Spiele 2014 in Sotschi qualifiziert hatten.

Kaltschnäuzig im Penaltyschießen

Der Bundestrainer hatte seinen Treffer gemacht, seine Jungs, wie er sie nennt, hatten allergrößte Mühe, in 65 Minuten wenigstens ein Tor zu erzielen. Beim hart erarbeiteten 2:1(0:0, 1:0, 0:1, 1:0)-Erfolg nach Penaltyschießen über die Skandinavier hatte Patrick Hager die Führung erzielt (33.), die Alexander Reichenberg nach 46 Minuten egalisierte. Da trotz Chancen auf beiden Seiten auch in der Verlängerung kein Tor gefallen war, musste ein Penaltyschießen her – dabei trumpften die Deutschen auf, als hätten sie sich alle Kaltschnäuzigkeit exakt dafür aufgespart. Torschütze Hager, Matthias Plachta und Dominik Kahun versenkten den Puck im Netz, Goalie Danny aus den Birken ließ keinen Treffer zu. „Im Shoot-out geht’s doch“, scherzte Sturm, „wichtig war aber natürlich der Sieg, damit wir auf Platz drei kommen.“ Damit geht die deutsche Mannschaft im K.-o.-Spiel an diesem Dienstag um den Einzug ins Viertelfinale einem ganz Großen aus dem Weg und trifft auf die Schweiz. Natürlich hat der ehemalige NHL-Stürmer nicht vergessen, seinen Torhüter zu loben. „Danny hat einen wirklich guten Job gemacht“, sagte Sturm.

Starke Leistung von Danny aus den Birken

Der Torhüter hatte nicht nur im Penaltyschießen überzeugt, sondern auch in den 65 Minuten zuvor. Doch der Mann – vom Charakter ein Typ wie Karl Friesen, der in den 1980ern und den 1990ern mit seiner stoischen Ruhe die Stürmer entnervt hatte – ließ sich nicht das Prädikat Matchwinner verpassen. „Das Team hat gewonnen“, sagte der 33-Jährige vom EHC München, „wir sind hinten gut gestanden und haben vorn ordentlich Druck gemacht. Alles hat gestimmt.“ Nur eben nicht die Torausbeute, wie schon gegen Schweden am Freitag, als Sturms Stürmer zwar in der Schuss-Statistik 28:26 gewannen, das Spiel aber 0:1 verloren. Allerdings, so mahnte Danny aus den Birken, möge man bitte nicht nur die Stürmer an den Pranger stellen. „Ich hätte ja auch diesen einen Schuss halten können, dann hätten wir 1:0 gewonnen“, sagte der gebürtige Düsseldorfer, der von 2003 bis 2009 bei den Heilbronner Falken spielte, mit einem Augenzwinkern.

Trotz seiner ausgezeichneten Leistung mit einer Quote von 96,55 Prozent gehaltener Schüsse hat Danny aus den Birken den Stammplatz im Tor im K.-o.-Match nicht sicher. Timo Pielmeier vom ERC Ingolstadt hielt gegen die Schweden ebenfalls exzellent, im ersten Spiel gegen Finnland (2:5) hatte Sturm aus den Birken in den Kasten gestellt, der dabei aber wenig Sicherheit ausgestrahlt hatte. „Ich habe meine Entscheidung noch nicht getroffen“, sagte Marco Sturm, „ich werde mir das genau überlegen.“ Die Chancen der Kontrahenten dürften bei 50:50 stehen, wobei die Besetzung dieser Position dem deutschen Team weniger Sorgen bereiten dürfte als anderes. Vielmehr wäre es wichtig, dass die Stürmer ihre olympischen Treffer-Ängste ablegen. Torschütze Patrick Hager glaubt, dass mit dem Sieg gegen Norwegen der Knoten geplatzt ist. „Wir haben uns endlich für unseren Aufwand belohnt – das sollte uns allen einen ordentlichen Boost geben“, sagte der Profi des EHC München.

Das Momentum soll genutzt werden

Die Initialzündung also hat stattgefunden, jetzt soll – wie es so schön heißt – „das Momentum“ genutzt werden. Damit die deutsche Mannschaft erstmals seit 2002 in Salt Lake wieder in ein Olympia-Viertelfinale einzieht. Mit den drei sicher verwandelten Penaltys könnte dieser Ruck erfolgt sein, „die Jungs haben damit viel Selbstvertrauen bekommen, das ist gut“, sagte der Bundestrainer. Es waren lohnende Überstunden. Nicht nur Patrick Hager geht mit breiten Schultern ins K.-o.-Spiel, und zur Not bis in den Shoot-out. „Beim Penaltyschießen ist es leichter zu treffen, weil nicht fünf Spieler im Weg stehen und man sich Zeit lassen kann, seinen Plan durchzuziehen“, sagte er.

Die Frage, wann eine deutsche Mannschaft zuletzt eine Medaille geholt habe, erntete ein müdes Lächeln. 1976 in Innsbruck gab es Sensationsbronze, das ist bekannt. Diese Durststrecke wird 2018 wohl nicht enden.