Himmelwärts schauen YumYum (Nicky Taran, l.) und Toni (Michaela Henze) Foto: Bernd Eidenmüller

An der Esslinger Jungen WLB hatte mit „Himmelwärts“ von Karen Köhler ein anspruchsvolles Kinderstück über den Tod und das Universum für Zuschauerinnen und Zuschauer ab acht Jahren Premiere.

Wohin mit der Trauer, wenn die Mutter gestorben und der Vater noch im eigenen Schmerz versunken ist? Zum Glück hat die zehnjährige Toni ihre beste Freundin zur Seite: YumYum genannt, weil sie Unmengen von Instantnudeln mit Garnelengeschmack verschlingen kann. YumYum ist ein Forscherinnengeist: klug, experimentierfreudig, wissensdurstig, mit Einsern in Mathe und Physik. Wikipedia sei so etwas wie die Bibliothek von Alexandria, sagt sie. Sie hat eine blendende Idee, um ihrer Freundin zu helfen: Zum gemeinsamen nächtlichen Zelten in Tonis heimischem Garten (samt einem Riesensnackberg aus Chips, Flips und sauren Pommes) bringt sie ein selbst konstruiertes, spaciges Gerät mit. Denn da ist sie sich sicher: Tonis Mama ist jetzt im Himmel, sprich: im Weltall. Energie löse sich ja nicht einfach so auf.

 

In „Himmelwärts“, einem anspruchsvollen Kinderstück (ab acht Jahren) von Karen Köhler, das jetzt an der Esslinger Jungen WLB seine bejubelte Premiere im Podium des Schauspielhauses feierte, ist dieses mysteriöse Riesenfunk-Radiogerät die große Attraktion. Das schön bunte und blinkende Ding (fantasievoll gebaut von der Ausstatterin Gwendolyn Bahr) soll den Kontakt herstellen zur Mama im Universum. Zunächst erklärt YumYum Toni aber – pädagogisch wertvoll – die diversen Sternbilder, und beide müssen erstmal Tonis Vater (Timo Beyerling) und YumYums ständig anrufende „Controlfreak“-Mutter überzeugen, dass sie sich nun brav zum Schlafen ins Zelt begeben.

Dann endlich schaltet YumYum (Nicky Taran in Space-Einhorn-Outfit) ihr Meisterinnenwerk ein: Geheimnisvolles Surren, Sirren, Knacken hochfrequenter Signaltöne, gepaart mit unterschiedlich brabbelnden Geisterstimmen lassen das Publikum aufhorchen. Während Toni (Michaela Henze im Totoro-Anzug) mit dem daran montierten Hörer immer wieder verzweifelt versucht, eine extraterrestrische Verbindung zur Mutter zu erhaschen, kümmert sich YumYum um die perfekte Ausrichtung der Antenne. Und plötzlich ist sie klar und deutlich zu hören: eine Frauenstimme. Die Mutter? Nee, die Astronautin Zanna, die auf der ISS arbeitet und offenbar Heimweh hat.

Mit ihrem Weltraumradio wollen YumYum (Nicky Taran, links) und Toni (Michaela Henze) Kontakt zu Tonis verstorbener Mutter aufnehmen. Foto: Bernd Eidenmüller

In der flotten, witzigen und slapstickfreudigen Inszenierung von Catja Baumann entspinnt sich nun ein anspruchsvoller Austausch zwischen den dreien. Einerseits berichtet Zanna vom spartanischen Leben auf der Raumstation: vom Verbot krümelnder Nahrung (Erstickungsgefahr!) über den Toilettengang mit Hilfe eines Sauggeräts bis hin zum Schlafen in einer Röhre. Andererseits gibt es kaum eine der großen Fragen, das Universums betreffend, die nicht besprochen wird: von der Ausdehnung des Weltalls über die Unendlichkeit bis hin zu den Lichtjahren oder dem Begriff der Antimaterie. Erklärt wird das alles mit beeindruckender Leichtigkeit: Schwarze Löcher etwa seien so etwas wie galaktische Staubsauger, und die Schwerelosigkeit auf der ISS fühle sich an wie Schwimmen ohne Wasser.

Das Stück will Mädchen für Technik begeistern

Ausführlich kommt auch das Thema Frauen im Weltall zur Sprache, etwa Sally Ride, 1983 die erste US-Amerikanerin im All, die sich auch für die wissenschaftliche Förderung von Mädchen eingesetzt hat. „Himmelwärts“ zielt in dieselbe Richtung. Zanna und YumYum dürfen als Vorbilder für Mädchen verstanden werden, sich für naturwissenschaftliche und technische Fächer und Berufe zu begeistern.

Tröstliches Ende

Trost finden am Ende beide: Zanna (Paula Dehner), die sich nach ihrer Heimat sehnt, Toni, die sich durch die außerirdische Verbindung zur ISS ihrer Mutter näher fühlt. Klar, dass sie die zwei fulminanten Sternschnuppen, die die Bühne erleuchten, als Nachricht ihrer Mama versteht.

Die nächsten Vorstellungen: 18. und 24. Mai, 7. und 22. Juni, 6. und 12. Juli im Podium 2 des Esslinger Schauspielhauses. Ab acht Jahren.