Verlagsleiter Alwin Wollinger und Redakteurin Tina Vogel freuen sich über den Preis „Best Edition“ für das Buch. Foto: Roberto Bulgrin

Der Esslinger Helbling-Verlag hat für sein Buch „Neue Klänge machen Schule“ den Fachpreis „Best Edition“ erhalten. 50 Musiziermodelle zur Vermittlung Neuer Musik im Unterricht werden vorgestellt.

Es brummt, zirpt, donnert und geräuscht, Bonbonpapier raschelt, Silben werden gedehnt und zerhackt, ein Ton pulsiert minutenlang, und Pausen machen Stille fühlbar – Neue Musik sucht nach neuen Klängen, Harmonien, Melodien, Rhythmen und Formen, überschreitet Grenzen und bricht mit Traditionen und Hörgewohnheiten. Im Esslinger Helbling-Verlag ist nun ein Buch für Musiklehrerinnen und -lehrer erschienen, das innovative Modelle zur Vermittlung Neuer Musik im Schulunterricht aufzeigt: „Neue Klänge machen Schule“ von Silke Egeler-Wittmann und Matthias Handschick hat den Deutschen Musikverleger-Verband so begeistert, dass die verlegerische Leistung mit dem renommierten Fachpreis „Best Edition“ ausgezeichnet wurde.

Schüler erfinden selber Musik

„Die Vorbehalte gegenüber Neuer Musik entstehen vor allem durch den kognitiven Zugang, den Menschen üblicherweise zu dieser sehr komplexen Musik haben“, weiß Tina Vogel, die zuständige Redakteurin. Bewusst wurde deshalb eine andere Annäherung gewählt: „Wir kommen in diesem Buch von der kreativen Seite und schauen: Wie kann man Neue Musik selbst machen? Wie kann man selbst improvisieren, komponieren, Klänge zusammenstellen?“

Beim Helbling-Verlag weiß man, dass Neue Musik nicht unbedingt dem Erfahrungshorizont von über Populärmusik sozialisierten Jugendlichen entspricht, betont Tina Vogel: „Man muss die Bereitschaft erst wecken, sich auf diese Art von Musik einzulassen. Neue Musik ist ganz anders als das, was man üblicherweise mit Musik verbindet: Neue Musik hat nichts mit Unterhaltung zu tun. Bei der Neuen Musik geht es um die eigene Wahrnehmung, um die Konfrontation mit den eigenen Bedürfnissen und um die eigene Position im kreativen Prozess.“

Im Buch werden Lautgedichte des Dadaisten Hugo Ball arrangiert, da werden Comic-Sounds wie „Seufz“, „Platsch“ und „Rumms“ zu einem Hörspiel, es gibt Klassiker von John Cage, virtuose Buchstaben-Spiele von Jaap Blonk, Improvisations-Musiktheater mit und ohne Gesten und Terry Rileys Minimal-Music-Klassiker „In C“, der kongenial mit dem Zeitgefühl spielt. Immer geht es bei den Unterrichtsbeispielen auch darum, gemeinsam kreative Prozesse anzustoßen: „Die Schülerinnen und Schüler bringen sich mit ihren eigenen Fähigkeiten ein, sie komponieren selbst etwas, sie erfinden und gestalten Musik. Das sorgt für eine ganz andere Motivation, als wenn sie nur rezipieren“, erläutert Verlagsleiter Alwin Wollinger und ergänzt: „In diesen kreativen Prozessen gibt es kein ‚Richtig‘ und kein ‚Falsch‘.“ Ganz nebenbei kommen die Jugendlichen ins Gespräch über Musik: „Für junge Leute ist Musik oft entweder ‚cool oder doof‘, ‚laut oder leise‘. Diese Parameter reichen aber bei Weitem nicht aus. Schüler lernen während der Projekte zu beschreiben, was eben entstanden ist, und sie finden Worte dafür, was sie anschließend machen möchten. Und: Wenn man über Musik spricht, spricht man auch viel über sich selbst, weil Musik ein sehr subjektives Empfinden ist“, sagt Wollinger.

Die Modelle bieten Impulse zum kreativen Weiterentwickeln

Über zwei Jahre hinweg wurde das Buch entwickelt. Es bietet gut lesbare theoretische Grundlagen, vielfältige Aufgaben zum spielerischen Einstieg in eine Unterrichtsstunde, die Erklärung grundlegender Schlagworte der Neuen Musik wie Konsonanz und Dissonanz, Chaos, Ordnung und Zufall, und es empfiehlt weiterführende Literatur. Zu jedem der 50 Modelle für den Unterricht gibt es Hinweise zu Präsentation und Erarbeitung sowie Gedanken zur Reflexion. Das Buch ermuntert ausdrücklich dazu, mit dem Material weiter zu experimentieren: „Wir geben keine Handlungsanweisungen. Die Modelle sollen Anstoß und Impuls sein und zum kreativen Weiterentwickeln auffordern“, sagt Alwin Wollinger.