Markus Schneider in seinem Buchladen Taube in Waiblingen. Er und sein Team haben für ihr Engagement den internationalen Handels-Preis „Passion Star 2022“ erhalten. Foto: Gottfried Stoppel

Ob Blind Date mit Büchern oder Überraschungsabo: Markus Schneider und sein Team vom Waiblinger Buchladen Taube haben manche Mensch-Buch-Liebesbeziehung geschmiedet – und nun einen Preis für Leidenschaft im Handel bekommen.

Weihnachtsstimmung herrscht bei Markus Schneider gleich drei Mal im Jahr. Einmal am allseits bekannten Fest im Dezember. Und zwei weitere Male immer dann, wenn die Vorschaukataloge der Verlage mit den neuen Büchern der Saison eintrudeln. Acht Waschkörbe ließen sich mit den Prospekten locker füllen, erzählt der passionierte Buchhändler: „Durch die wühlen meine Mitarbeiter und ich uns dann durch. Alle bringen sich ein, und so kommt unsere Auswahl zustande.“

Der lustvolle Arbeitsprozess trägt offensichtlich Früchte. Das Wagnis, das Markus Schneider im November 2017 eingegangen ist – nämlich in Waiblingen einen neuen Buchladen zu eröffnen, und zwar in unmittelbarer Nachbarschaft eines großen Buchhandelsunternehmens mit rund 50 Filialen allein in Baden-Württemberg – hat der 45-jährige Buchhändler nicht bereut.

Bücher bieten Unterhaltung, Wissen, Hilfestellung

Die Buchhandlung Taube am Waiblinger Marktplatz steht seither mit dem gleichnamigen Laden von Markus Schneider in der Marbacher Wendelinskapelle als Beweis dafür, dass der stationäre Buchhandel durchaus eine Zukunft hat. Den Deutschen Buchhandlungspreis hat die Tauben-Mannschaft schon mehrmals eingeflogen, nun ist sie obendrein mit dem „Passion Star 2022“ ausgezeichnet worden. Die EK Gruppe, eine Genossenschaft, der nach eigenen Angaben rund 4200 Einzelhandelsunternehmen aus europäischen Ländern angehören, ehrt damit Händler, „die sich durch ein besonderes Maß an Leidenschaft hervortun“.

Klar sei er ein Einzelhändler, sagt Markus Schneider, dennoch sieht er seinen Laden nicht „als Ort, an dem nur Bücher gegen Kohle getauscht werden“. Vielmehr verstehen sich Schneider und sein Team als Literaturvermittler, Leseförderer und sogenannte Matchmaker, die Menschen und Bücher zusammenbringen möchten. Wenn es dabei so richtig funkt, freut das sowohl die Kundschaft wie die Tauben-Crew. Bücher böten ja nicht nur Unterhaltung, sondern auch Wissen und Hilfestellung. „Für jedes Problem gibt es Bücher, die einen an der Hand nehmen können“, sagt Markus Schneider.

Der Laden wird täglich kuratiert

Es gebe verschiedene Arten, eine Buchhandlung zu betreiben, die alle funktionierten, fügt Markus Schneider hinzu – und beschreibt dann, wie es bei der Taube abläuft: „Wir kuratieren unseren Laden täglich, wählen aus, was reinkommt und versuchen auf rund 100 Quadratmetern zu zeigen, was andere auf 800 Quadratmetern Verkaufsfläche tun.“ Schon beim Stöbern in den Buchkatalogen komme einem der eine oder andere Buchfan als passender Partner für eine Neuerscheinung in den Sinn. „Und unsere Kunden und ihre Bestellungen inspirieren uns natürlich auch.“

Er und sein Team sähen sich nicht als Einzelkämpfer, betont Markus Schneider: „Wir legen Wert auf Kooperationen hier in der Stadt, zum Beispiel mit Schulen und Kindergärten.“ Dass die Taube in Waiblingen gut gelandet ist, hat sich während der Corona-Zeit gezeigt. Da sei der Buchladen von einem Tag auf den anderen zur Versandbuchhandlung geworden, erzählt Markus Schneider, der zugibt, dass er anfangs durchaus um seinen Laden gebangt hat. Zum Glück sei er ein Mensch, für den ein Glas halb voll und nicht halb leer ist: „Ich setze alles daran, dass es klappt.“ Und es zeigte sich: Es gibt viele Taubenfans – und die sind solidarisch. Die Online-Bestellungen der Kundschaft haben Markus Schneider und sein Team zu Fuß und mit dem Fahrrad an Adressen in ganz Waiblingen ausgeliefert. Jetzt kennen sie die Stadt aus dem Effeff.

Mancher Buchfan lässt sich freiwillig im Laden einsperren

Großen Wert legt Markus Schneider auf die Leseförderung, was sich beispielsweise beim Lesestipendium zeigt. Das komme Familien und Gruppen zugute, bei denen am Ende des Monats kein Geld mehr da ist, schon gar nicht für den Kauf von Büchern, berichtet Markus Schneider. Die Stipendiaten bekommen für ein Jahr jeden Monat einen Gutschein im Wert von 20 Euro, den sie in der Buchhandlung einlösen können – sei es, um ein Schulbuch, einen Roman, einen Reiseführer oder ein Brettspiel zu kaufen. Inzwischen sponsern auch Kunden das eine oder andere Lesestipendium.

Auch sonst lässt sich das Team einiges einfallen. Wer mag, darf sich im Rahmen von „Buchgenuss nach Ladenschluss“ mit anderen ausgewählten Gleichgesinnten für einige Stunden im Buchladen einschließen lassen und nach Herzenslust schmökern und stöbern, Getränke und Häppchen inklusive. Das kommt gut an – ebenso wie das Buch-Abo. „Im vergangenen Jahr haben wir uns getraut, ein Tauben-Abo einzuführen“, berichtet Markus Schneider.

Das Blind Date mit einem Überraschungsbuch ist beliebt

Die Abonnenten füllen einen Fragebogen zu ihren Vorlieben und Abneigungen in Sachen Bücher aus und erhalten dann als Überraschung ein Jahr lang zwölf oder wahlweise sechs gebundene Bücher oder Taschenbücher, die das Taube-Team für sie auswählt. „Es ist ein großer Spaß, die Bücher passgenau auszusuchen. Seitens der Kunden braucht das großes Vertrauen.“ Das scheint vorhanden. „Das Tauben-Abo hat richtig eingeschlagen“, sagt Schneider. Bisher seien nur zwei Bücher umgetauscht worden. Und zwar nicht, weil sie den Abonnenten nicht zugesagt hätten: „Aber sie hatten die Bücher schon im Regal.“