Die Grabgaben sind abgeräumt, ein Zettel weist auf die Lagerstätte hin. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Sammelgrab für tot geborene Babys auf dem Pragfriedhof ist rüde abgeräumt worden. Wo bislang Teddys saßen und Windräder wirbelten, war plötzlich Flaute.

Stuttgart - Im Nordteil des Pragfriedhofs ist ein Gräberfeld normalerweise regenbogenbunt verziert: das der Babygräber. Auf den Grabflächen der Jüngsten der Verstorbenen legen Angehörige Kuscheltiere ab, stecken Windräder in den Boden oder bringen Bilder mit. Vielen hilft das beim Trauern oder dabei, den Besuch am Grab wie eine Begegnung zu erleben. Doch jüngst waren die Besucher vor allem über den Umgang mit dem Gräberfeld traurig.

Ohne Vorwarnung abgeräumt

Anlass dazu hatte das Garten-, Friedhofs- und Forstamt gegeben. Denn die Grabgaben waren abgeräumt worden, die Hinterbliebenen davon unangenehm überrascht. „Dreimal im Jahr werden die Gräber neu bepflanzt“, erläutert das Amt. Die Gemeinschaftsgrabanlage habe eine Ablagefläche für Grabgaben, die betroffenen Eltern legten sie jedoch oft direkt auf die Grabfläche. Diese würden, so das Amt, „spätestens, wenn eine neue Bepflanzung ansteht, entfernt“. Das geschehe dreimal im Jahr – und eben jüngst. „Eltern, die ihre Kinder verlieren, sind in einer Ausnahmesituation. Dessen sind wir uns bewusst. Ein sensibler Umgang mit Angehörigen von Verstorbenen ist für uns selbstverständlich“, beteuert das Amt. Doch auf die anstehenden gärtnerischen Arbeiten hat es vorab trotzdem nicht hingewiesen.

Unsensibler Umgang mit tot geborenen Babys

Jetzt lagern die Gegenstände am Pragfriedhof ein und können bei Bedarf abgeholt werden. Ein Schild, aufgestellt vom Friedhofsaufseher, weist Eltern darauf hin, wo: in der Leichenhalle. Dort bleiben die Grabgaben bis zur nächsten Bestattung im Herbst.

Die Grabstätte ist im Jahr 2003 auf dem Pragfriedhof eingerichtet worden, nachdem Eltern den Umgang mit in den Kliniken tot geborenen Babysbeklagt hatten. Das baden-württembergische Bestattungsgesetz gebietet, dass tot geborene Babys mit einem Gewicht über 500 Gramm bestattet werden müssen, für Babys unter 500 Gramm können Eltern die Bestattung übernehmen, müssen aber nicht. In letzterem Fall sollen die Fehlgeburten von den Geburtseinrichtungen „unter würdigen Bedingungen gesammelt und bestattet“ werden. Diese Regelung gilt aber erst seit 2014. Mit den Gräbern wollte die Stadt betroffenen Eltern das Angebot machen, einen Ort zum Trauern zu haben.

Klinikum regt Hinweise am Grabfeld an

Seit 2003 also laden mehrere Stuttgarter Kliniken zweimal im Jahr zu einer ökumenischen Sammeltrauerfeier für die Kleinsten auf den Pragfriedhof ein. „Dabei werden die tot geborenen Kinder mit einem Gewicht von unter 500 Gramm gemeinsam in einer Urnenbestattung von den zuständigen Seelsorgern der evangelischen und katholischen Kirche beigesetzt“, erläutert Annette Seifert vom Klinikum. „Bisher wurden wir vom Amt nicht informiert, dass die Gemeinschaftsgrabanlage zu Pflegezwecken abgeräumt wird“, so die Pressesprecherin. Sie hoffe, „dass eine direkte und rechtzeitige Information der Eltern zukünftig möglich sein wird, beispielsweise durch frühzeitige Hinweise direkt am Grabfeld“.

Neubepflanzung ist vorgeschrieben

Das Abräumen der Gegenstände auf dem Sammelgrab geschehe aus mehreren Gründen, so das zuständige Amt: „Nicht alle betroffenen Eltern wünschen Gräber mit Sachgegenständen, hier hat die Verwaltung eine neutrale, ausgleichende Stellung einzunehmen.“ Ein dauerhafter Verbleib der Gegenstände sei auch deshalb nicht möglich, weil bei jeder neuen Trauerfeier die teilnehmenden Eltern auch etwas ablegen wollten. Und: Die Stadt schreibe für Sammelgräber dreimal im Jahr eine Neubepflanzung vor.