„Besonders wichtig ist, dass das Präventionskonzept nachhaltig umgesetzt wird“, sagt Werner Aldinger, Lehrer an der Rilke-Realschule. Foto: Bernd Zeyer

Werner Aldinger, Lehrer an der Rilke-Realschule, ist Präventionsbeauftragterfür die Schulen im Norden.

Stuttgarter Norden - Die Vorkommnisse im amerikanischen Ort Newtown, wo ein Schüler 28 Menschen erschossen hat, haben in Deutschland schmerzliche Erinnerungen an den Amoklauf von Winnenden im Jahr 2009 wachgerufen. Eine der Reaktionen auf diese Tat ist die Einführung des landesweiten Präventionskonzepts „stark.stärker.WIR.“, das der baden-württembergische Landtag 2011 beschlossen hatte. Teil davon sind so genannte Präventionsbeauftragte, die Schulen bei der Umsetzung des Konzeptes begleiten. Für die Lehranstalten im Stuttgarter Norden ist Werner Aldinger, Lehrer an der Rilke-Realschule, zuständig. Dort wird im Januar ebenso mit der Umsetzung des Konzeptes begonnen wie an der Uhlandschule, dem Eschbach-Gymnasium und der Bertha-von-Suttner-Realschule.

„Präventionsarbeit kann einen Amoklauf nicht verhindern, aber Schwierigkeiten im Vorfeld aufdecken“, sagt Werner Aldinger. Der Lehrer für Deutsch, Sport und Ethik ist schon seit einiger Zeit Beratungslehrer an der Rilke-Realschule. Daher, so erzählt er, sei es für ihn nahe liegend gewesen, sich auf die Ausschreibung als Präventionsbeauftragter zu melden. Die Thematik, um die es jeweils gehe, weise viele Gemeinsamkeiten auf.

Der „Wegschau-Kultur“ solle der Kampf angesagt werden

„Stark.stärker.WIR“ soll die verschiedenen Aktivitäten im Bereich der Schulen in einen größeren Zusammenhang stellen. Dabei wird auf drei Ebenen angesetzt: dem einzelnen Schüler, der Klasse, der Schule. „Nur wenn auf allen drei Ebenen gearbeitet wird, zeigt sich langfristiger Erfolg“, sagt Aldinger. Alle Lehrer sollen sich verantwortlich fühlen, zudem müssten so viele Eltern wie möglich mit ins Boot geholt werden, die sich im Idealfall mit eigenen Ideen einbringen. Der „Wegschau-Kultur“ solle der Kampf angesagt werden. Auf den drei Ebenen setzt das Konzept auf drei Säulen: Gewaltprävention, Suchtprävention und Gesundheitsförderung. „Die einzelnen Schulen sollen sich klar darüber werden, was sie jeweils erreichen wollen und über welche Ressourcen sie verfügen“, erläutert Aldinger. Jede Lehranstalt könne selbst darüber entscheiden, welche Schwerpunkte sie setze und in welchem Tempo sie das Konzept umsetze.

150 Präventionsbeauftragte gibt es in Baden-Württemberg

Insgesamt 150 Präventionsbeauftragte gibt es in Baden-Württemberg, acht davon sind für Stuttgart zuständig. Ein Jahr lang wurden sie ausgebildet. Von Februar 2011 bis August 2012 hatte es eine Startphase gegeben, bei der 40 Schulen im Ländle dabei gewesen sind, unter anderem das Neue Gymnasium in Feuerbach. Das Mitmachen ist freiwillig. Noch scheint sich freilich die Begeisterung an vielen Schulen im überschaubaren Rahmen zu halten. Als das Präventionskonzept vorgestellt worden war, sind gerade einmal Vertreter von 40 Stuttgarter Schulen dabei gewesen. Das entspricht nur einem Viertel der Gesamtzahl. „Wir hatten viel mehr erwartet“, sagt Aldinger. Viele Lehrer, so vermutet er, würden wohl zusätzliche Arbeit befürchten. Das sei aber nicht der Fall, zudem bringe das Konzept einen Nutzen für die ganze Schule. Als Beispiel nennt Aldinger das Projekt „Klassenrat“: Eine Stunde pro Woche setzt sich der Klassenlehrer mit seinen Schülern zusammen und diskutiert mit ihnen über aktuelle Probleme. Was gesprochen wird, verlässt das Klassenzimmer nicht. Diese Rederunde sei so gut angekommen, dass die Schüler mittlerweile nicht mehr auf sie verzichten möchten.

Fünf Wochenstunden werden Aldinger und seine sieben Stuttgarter Kollegen für ihre Arbeit als Präventionsbeauftragte freigestellt. In dieser Zeit treffen sie sich zu Besprechungen und besuchen, stets im Zweierteam, die Schulen. Fragt man Aldinger nach seiner Motivation, muss er nicht lange überlegen: „Wir möchten einen menschenwürdigen Rahmen schaffen und sicher stellen, dass die Kinder angstfrei in die Schule kommen.“ Dass gute Aufklärung wirksam sei, würden Statistiken aus dem Bereich Alkoholmissbrauch zeigen. Im Hinblick auf die jüngsten Ereignisse in den USA ist für Aldinger eines ganz klar: „Newtown macht deutlich, wie wichtig das Präventionsprogramm ist.“