Im Fall seines Wahlsiegs will Ebrahim Raeissi (rechts) den Iran stärker gegen den Westen abgrenzen. Foto: AP

In der heißen Phase vor der Präsidentenwahl an diesem Freitag ignoriert Amtsinhaber Hassan Ruhani die roten Linien und nimmt gegenüber seinem schärfsten Kontrahenten kein Blatt mehr vor den Mund. Doch die Konservativen halten zusammen.

Teheran - Die Azadi-Sportarena bebt. „Lasst Mussawi und Karroubi frei“, skandieren die 20 000 meist jungen Leute und feiern Hassan Ruhani wie einen Helden. Viele Frauen und Männer tragen demonstrativ die grünen Armbänder von 2009, wofür man im Iran noch vor Kurzem verhaftet werden konnte. Die meisten aber sind in den violetten Farben des Ruhani-Lagers gekommen. „Wir waren grün, aber eure Knüppel haben uns violett gemacht“, hallt es durch das Teheraner Stadion in Anspielung auf die Blutergüsse der Demonstranten von 2009. „Wir wollen eine Regierung, die sich an Recht und Gesetz hält.“

56 Millionen der rund 80 Millionen Iraner sind berechtigt, am Freitag den zwölften Präsidenten der Islamischen Republik zu wählen. Favoriten sind zwei Kleriker: Amtsinhaber Hassan Ruhani und der konservative Hardliner Ebrahim Raeissi, der noch nie ein hohes politisches Amt bekleidet hat. Lange dümpelte der Wahlkampf vor sich hin, doch in der Schlussphase kocht die Stimmung hoch. Alle Kandidaten kämpfen mit harten Bandagen, um ihre Anhänger zu mobilisieren.

Starke Sensibilität „in Fragen der Landesverteidigung“

„Diese Wahl stellt Weichen“, ruft Ruhani in die tosende Menge und nennt sie eine Entscheidung zwischen Frieden und neuen Spannungen: „Wir dürfen nicht zulassen, dass der Iran wieder isoliert wird, wir wollen einen konstruktiven Dialog mit der übrigen Welt.“ Mit seinen Konkurrenten geht der 68-jährige Kleriker so scharf ins Gericht wie kein Reformer mehr seit 2009, als der damalige Kandidat Mir Hussein Mussawi dem amtierenden Mahmud Ahmadinedschad live im Fernsehen vorwarf, er ruiniere das Ansehen des Iran in der Welt.Zweimal nahm Ruhani sogar schon die Revolutionären Garden aufs Korn – für die Islamische Republik ein unerhörter Tabubruch. „Wenn man eine bessere Wirtschaft will, sollten man nicht Gruppen aus dem Sicherheitsapparat erlauben, sich in der Wirtschaft breitzumachen“, hielt er seinen Kritikern vor und spielte damit auf die lukrativen, staatlichen Infrastrukturaufträge an, die die Revolutionären Garden in den vergangenen Jahren ohne Ausschreibung einstreichen konnten. Obendrein warf er den Paramilitärs vor, mit ihren demonstrativen Raketentests, bei denen sie „Tod für Israel“ auf die Geschosse aufmalen, das Atomabkommen zu sabotieren. Für die Führung der iranischen Elitegarde war damit die rote Linie überschritten. „Wir empfehlen allen Präsidentschaftskandidaten, sich aus den sensiblen Fragen der Landesverteidigung herauszuhalten und der Bevölkerung keine falschen Informationen zu geben“, schallte es in drohendem Ton zurück.