Als Sieger ist Claus Vogt aus dem Machtkampf mit Thomas Hitzlsperger hervorgegangen. Doch die nächsten schwierigen Herausforderungen warten bereits. Schafft es der Präsident des VfB Stuttgart, auch sie zu meistern?
Stuttgart - Es gibt auch weiterhin die Momente, in denen sich Claus Vogt ungläubig die Frage stellt: Ist das alles wahr, was gerade passiert? Sie trieb ihn nicht nur in den Wochen und Monaten um, als sich der Präsident des VfB Stuttgart in den eigenen Reihen einer geballten Front an Feinden gegenübersah und aus dem Verein gedrängt werden sollte. Auch jetzt, da er als (vorläufiger) Sieger aus dem Machtkampf mit Vorstandschef Thomas Hitzlsperger hervorgegangen ist, kann er bisweilen noch immer nicht fassen, was hier vor sich geht. Denn seine Rolle hat sich plötzlich grundlegend verändert.
Aus dem Einzelkämpfer ist jetzt der Mann geworden, dessen Aufgabe es ist, zur Befriedung des VfB beizutragen. Er muss verunsicherte Fans und Mitglieder beruhigen, irritierte Sponsoren bei der Stange halten – und am besten auch gleich neue Investoren finden, um den sportlichen Aufschwung nicht zu gefährden. Es ist eine Herausforderung, die nicht einfacher wird, denn auch Claus Vogt weiß: Wer bisher gegen ihn war, ist jetzt nicht plötzlich auf seiner Seite. Ganz genau werden nicht zuletzt seine Gegner hinschauen, wie Vogt sich schlägt, wenn er nicht mehr nur Kämpfer, sondern Gestalter ist und aus der Defensive in die Offensive wechselt.
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Einen ersten Beleg dafür, bei veränderten Machtverhältnissen nicht seine Überzeugungen über Bord zu werfen, hat Vogt bereits geliefert: Die von seinen inzwischen zurückgetretenen Präsidiumskollegen Bernd Gaiser und Rainer Mutschler beschlossene Terminierung der Mitgliederversammlung machte er umgehend rückgängig – und widerstand damit der Versuchung, sich als einziger Kandidat im Amt bestätigen zu lassen.
Nicht bereits am 28. März wird die Versammlung in rein digitaler Form stattfinden, sondern erst im Juni oder Juli. Dann zwar womöglich als (Teil-)Präsenzveranstaltung, vermutlich aber mit einem Gegenkandidaten. „Ich fahre eine klare Linie“, sagt Vogt: „Meine Argumente werden nicht anders, nur weil ich plötzlich der einzige Kandidat wurde.“ Denn: „Es geht um das Beste für den VfB und die Mitglieder.“ Dass soll seine Leitlinie auch bei anderen Problemen sein, die deutlich schwerer zu lösen sind.
Eine Männerfreundschaft wird zwischen Vogt und Hitzlsperger nicht mehr entstehen
Ungeklärt ist auch weiterhin die zentrale Frage, wie sich künftig die Zusammenarbeit zwischen Claus Vogt und Thomas Hitzlsperger gestalten soll. Dass zwischen beiden keine dicke Männerfreundschaft mehr entstehen wird, dürfte klar sein. Doch reicht es wenigstens dazu, persönliche Animositäten auszublenden und ein konstruktives Arbeitsverhältnis im Sinne des Vereins zu finden?
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An Vogt soll es nicht scheitern. „Ich bin bereits auf Thomas Hitzlsperger zugegangen, wir nähern uns weiter an“, sagt er und glaubt, „dass wir wieder das Vertrauen zueinander finden können, das nötig ist, um den VfB zu führen. Ich bin jedenfalls bereit dazu.“ Und Hitzlsperger? Eine Versöhnung mit dem Präsidenten scheint zumindest (noch) nicht ganz oben auf seiner Agenda zu stehen – was freilich auch damit zu tun haben könnte, dass er als mittlerweile alleiniger Vorstand der VfB AG damit ausgelastet ist, das operative Tagesgeschäft am Laufen zu halten.
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Spätestens im Sommer dürfte endgültige Klarheit über den Weg des VfB und seiner beiden grundverschiedenen Anführer bestehen. Dann wird man einerseits wissen, wer dem Verein in den nächsten vier Jahren als Präsident vorsteht. Gleichzeitig wird sich andererseits die Frage nach einer Verlängerung von Hitzlspergers 2022 auslaufendem Vertrag stellen. Seinen ursprünglichen Standpunkt, sich eine langfristige Zusammenarbeit mit Vogt nicht vorstellen zu können, hat der Vorstandschef bisher nicht aufgegeben. „Es muss wieder nach vorne geschaut und konstruktiv weitergearbeitet werden“, zumindest das sagte er neulich. „Ich werde meinen Teil beitragen.“ Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Machtkampf nur in einem vorübergehenden Waffenstillstand befindet und vor der Präsidentenwahl wieder kräftig aufflammt.
Sehr genau wird Hitzlsperger bis dahin beobachten, in welche Richtung sich die Kandidatensuche für die beiden vakanten Vorstandsposten bewegt. Sie ist Aufgabe des Aufsichtsrats, in dem er in Daimler-Personalchef Wilfried Porth zwar einen mächtigen Verbündeten an seiner Seite weiß – in dem sich die Kräfteverhältnisse nach den Rücktritten von Bernd Gaiser und Hermann Ohlicher aber verändert haben. Bereits in Kürze, so heißt es, könnte der e.V. einen weiteren Vertreter in das geschrumpfte Kontrollgremium entsenden, dem Claus Vogt vorsitzt.
Personalberatungsagenturen suchen nach Kandidaten für den VfB-Vorstand
Man werde die Besetzung der beiden Vorstandspositionen „mit Hilfe von renommierten Personalberatungsagenturen angehen“, sagt der Präsident und Aufsichtsratschef – und wehrt sich energisch gegen den Verdacht, für die vakanten Posten in den Gremien auf dem kleinen Dienstweg Verbündete in Stellung bringen zu wollen, egal ob im Vereinsbeirat, dem Präsidium, dem Aufsichtsrat oder Vorstand: „Es geht um den VfB – und darum, ihn so stark zu machen wie nur möglich. Wir wollen die besten Leute für die offenen Positionen bekommen. Das ist unser Anspruch, nur damit kommen wir weiter.“
Wann werden die Ergebnisse zur Datenaffäre veröffentlicht?
Nicht nur daran will sich Vogt messen lassen, sondern auch an anderen Ankündigungen. Da ist zum einen die Veröffentlichung des Abschlussberichts zur Datenaffäre, die er den Mitgliedern versprochen hat: „Wir stimmen derzeit im e.V. und in der AG ab, wie und wann wir Informationen aus dem Abschlussbericht juristisch korrekt veröffentlichen dürfen. Es dauert aber sicher nicht mehr lange.“
Zum anderen widerspricht er, wenn ihm unterstellt wird, es gehe ihm darum, künftig als hauptamtlicher Präsident wirken und möglichst viel Geld verdienen zu wollen: „Das Präsidentenamt wurde sowohl im Ehren- als auch Nebenamt ausgeschrieben“, sagt Vogt; „Ich habe für beide Möglichkeiten meine Bereitschaft erklärt: Also auch weiterhin im Ehrenamt.“