Das Wasserkraftwerk in Pleidelsheim (Kreis Ludwigsburg) produziert seit mehr als 100 Jahren Strom. Bald soll es auch Nahwärme erzeugen – der Neckar scheint dafür ideal zu sein.
Wer in Pleidelsheim wohnt, kann bald mit dem Neckar heizen. Die Süwag Energie AG, Energieversorger und Betreiber des dortigen Wasserkraftwerks, plant ein bestehendes Nahwärmenetz dort deutlich zu erweitern. Die Wärme dafür soll tatsächlich aus dem Fluss kommen. „Das Potenzial ist riesengroß“, sagt Projektleiter Michael Spathelf.
Für 6 Millionen Euro sollen bis 2027 ein Flusswärmepumpe und die dazugehörigen Leitungen konstruiert und verlegt werden. Um Wärme aus dem Fluss zu erhalten werden 100 Liter pro Sekunde eingesogen und mit dem Strom aus dem Wasserkraftwerk auf 70 Grad Celsius erhitzt. Der Neckar ist aus mehreren Gründen dafür gut geeignet, wie Süwag-Verantwortliche erklären. Zum einen fließen durch den Kraftwerkskanal pro Sekunde 50 Kubikmeter Wasser – die 100 Liter Entnahme entspreche also nur 0,2 Prozent des Gesamtvolumens.
Außerdem liegt die Temperatur des Neckars im Schnitt bei 6 bis 22 Grad Celsius. Je wärmer der Fluss, desto weniger Energie muss aufgewendet werden für die Heizzwecke. Zurück in den Neckar fließt dann kühleres Wasser. „Da freuen sich die Fische“, sagt Pleidelsheims Bürgermeister Ralf Trettner. Die Kommune will in ihren Liegenschaften auch Teil des dann erweiterten Nahwärmenetzes werden. Der Verkauf an die Kunden bleibt aber bei der Süwag, und da sei man schon zufrieden über die Rückmeldungen. Damit sich das Projekt lohnt, braucht es viele Bewohner als Kunden. Leitungen müssen verlegt werden – und je mehr Menschen einen Vertrag unterschreiben, desto mehr lohnt sich die ganze Angelegenheit für den Energieversorger. „Die Rückmeldungen sind schon sehr gut. Das Interesse ist da“, sagt Spathelf.
Vertragsabschlüsse für Nahwärme: Vergünstigungen bis April
300 Bewohner habe man angeschrieben, die genaue Anzahl der Vertragsabschlüsse gibt die Süwag nicht bekannt. Man rechne ohnehin damit, dass dies in den nächsten Wochen – bis Ende April gibt es Vergünstigungen – deutlich anziehe. „Die Erfahrung von anderen Wärmenetzen zeigt, dass die Zusagen vor allem gegen Ende der Frist eingehen“, sagt Projektingenieur Jürgen Hagenlocher.
Für Kunden ist es keine leichte Entscheidung, denn die Umstellung auf Fernwärme und damit der Wechsel des heimischen Heizsystems kostet nach Berechnungen der Süwag im Schnitt mehr als 24 000 Euro. Die mittleren Wärmekosten betragen nach der Umstellung 147 Euro pro Monat.
Bundesförderung sichert 40 Prozent der Kosten
Bei der Süwag baut man auf eine Förderung vom Bund und rechnet damit, dass so 40 Prozent der Kosten für das Nahwärmenetz übernommen werden. Ob es bei den 6 Millionen Euro bleibt, hängt nun entschieden davon ab, wie viele Pleidelsheimer künftig mit dem Neckarwasser heizen wollen.
Die neue große Wärmepumpe wird nicht die erste am Standort sein. Schon seit Jahrzehnten gibt es vor Ort eine kleinere, die Teile des Süwag-Geländes in Pleidelsheim mit Wärme versorgt. Deshalb halten sich die von außen sichtbaren Veränderungen auch in Grenzen. In einem Heizungskeller wird die neue Wärmepumpe mit einer Leistung von 1000 bis 1500 Kilowatt entstehen. Ein Becken vergrößert. Zudem entsteht auf dem Gelände ein 200 Kubikmeter großer Pufferspeicher, der kurzfristig Wärme speichern kann.
Für die Süwag ist es das erste Projekt dieser Größenordnung mit einer Flusswärmepumpe. In Stuttgart, Mannheim oder Berlin gibt es noch deutlich größere Wärmepumpen an Gewässern. „Bis zu den politischen Entwicklungen vor einigen Jahren war es schlicht nicht angezeigt, solche Wärmepumpen zu entwickeln, weil Gas günstig war“, sagt Spathelf. In Skandinavien nutze man die Technologie schon länger.