Ist berüchtigt für ihre langen Warteschlangen: die Postfiliale an der Böblinger Straße im Stuttgarter Süden. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Immer mehr Interneteinkäufe sorgen für eine Flut an Paketen, aber zu wenige Kunden lassen sich ihre Waren an alternative Empfangsstellen liefern.

Stuttgart - Logistiker denken derzeit angestrengt über die „letzte Meile“ nach, also jene 1,6 Kilometer, die ein Paket im Verteilerzentrum vor den Toren der Stadt vom Empfänger trennt. Für den Kunden sind oft erst die letzten zehn Meter die beschwerlichen. Wer nämlich nicht daheim ist, wenn der Postmann beziehungsweise der Paketdienstmitarbeiter klingelt und sein Paket via Internet auch nicht an einen anderen Ort gelotst hat, der darf es anderntags in einer der Postfilialen und Paketshops abholen – und steht dafür oft lange an. Das ist auch jetzt noch so, nachdem die Weihnachtspaketlawine längst herabgegangen ist.

„Diese Filiale ist eine Zumutung. Die Postbox ist immer voll, und wenn man das Paket am Schalter abholen möchte, wartet man durchschnittlich 45 Minuten in der Schlange“, klagte vorige Woche ein Leser über die für ihre Wartezeiten berüchtigte Postfiliale in der Böblinger Straße im Stuttgarter Süden. Am Samstagvormittag müsse man gar eine Stunde einkalkulieren, so der Leser. Aber immerhin bekommt der wartende Kunde dort von fürsorglichen Mitarbeitern einen Flyer mit Servicetelefonnummer ausgehändigt, unter der er den Verbleib seines Paketes erfragen oder Beschwerden absetzen möge. Geduld wird auch hier erbeten, denn „aufgrund des hohen Paketvolumens kommt es derzeit im Kundenservice zu ungewöhnlich vielen Anrufen und damit zu erhöhten Wartezeiten“, sagt eine Computerstimme. Dass dies „ungewöhnlich“ ist, darf allerdings bezweifelt werden.

4,3 Millionen Pakete am Tag

Die Deutsche Post DHL Group, bestehend aus den Marken Deutsche Post und DHL (und nach eigenen Angaben das weltweit führende Unternehmen für Post- und Logistikdienstleistungen), verzeichnet seit Jahren steigende Paketzahlen: „Wir haben 2016 bundesweit an jedem Tag im Schnitt rund 4,3 Millionen Pakete und Päckchen befördert, an einigen Tagen vor Weihnachten 2017 waren es über zehn Millionen Sendungen“, sagt Hugo Gimber von der Pressestelle Süd der Deutschen Post DHL. Zum Vergleich: 2006 hat das Unternehmen bundesweit durchschnittlich rund 2,3 Millionen Päckchen und Pakete pro Werktag befördert. Hintergrund der Steigerung ist die Zunahme des Internethandels. Jeder zehnte Euro wird inzwischen im Netz ausgegeben.

Die Post hat derweil allerhand unternommen, um der unaufhaltsam schwellenden Flut an Sendungen Herr zu werden. Seit 2006 wurde das bundesweite Netz an Filialen (12 500 damals) ausgebaut, ferner kamen Paketshops und andere Verkaufsstellen hinzu, sodass es Ende 2016 bundesweit etwa 27 000 Verkaufsstellen mit rund 60 000 Mitarbeitern gab. Auch in der Landeshauptstadt wurde laut Hugo Gimber aufgerüstet: „In Stuttgart gibt es aktuell Stuttgart 176 Verkaufsstellen – 71 DHL Paketshops, drei Geschäftspostannahmen, 43 Partnerfilialen im Einzelhandel, elf Postbank-Finanzcenter und 48 Verkaufspunkte.“ Das entspreche mehr als einer Verdoppelung der Einlieferungs- und Empfangsmöglichkeiten in den vergangenen zehn Jahren. Und dennoch hagelt es Beschwerden über Warteschlangen – insbesondere beim Abholen nicht zugestellter Pakete.

Dabei tut die die Deutsche Postviel, um die Kunden von dort wegzulotsen. Bundesweit stellte sie bisher 3400 Packstationen auf, an denen Pakete aufgegeben und abgeholt werden können, und sie eröffnet immer mehr Paketshops in Kiosken und Läden. Ein dichtes Netz mit Abholorten soll verhindern, dass die Paketzustellung die Kundschaft frustet. „Im Stadtgebiet von Stuttgart gibt es 148 Verkaufsstellen, von denen aus Privatkunden Pakete verschicken können. Die meisten dieser Verkaufsstellen bieten auch den Service ‚Postfiliale direkt’ an, das heißt Kunden können sich ihre Pakete direkt zu diesen Filialen/Paketshops schicken lassen und sie später dort abholen“, sagt Pressesprecher Gimber. Zudem gebe es in Stuttgart 32 Packstationen mit mehr als 3500 Fächern, an denen man Pakete empfangen oder verschicken könne. Meist seien sie die ganze Woche und rund um die Uhr zugänglich. Nur müssen die Boxen auch regelmäßig geleert werden, was aber nicht immer zügig genug geschieht, wie Klagen in Internetforen zeigen.

32 Packstationen in Stuttgart

Mit der Zahl der Pakete ist auch die Zahl der Beschwerden gestiegen. Beim Verbraucherservice Post der Bundesnetzagentur, die das Paketgeschäft beaufsichtigt, liefen allein im ersten Dreiviertel Jahr 2017 mehr als 3400 Beschwerden auf. Die Verbraucherzentrale hat im Internet ein Forum eingerichtet, wo Verbraucher zumindest ihren Ärger loswerden können.