Postbeschäftigte mit befristeten Verträgen können sich keine allzu großen Verfehlungen erlauben. Foto: dpa

Die Post setzt ihre Mitarbeiter unter Druck: Wer einen befristeten Arbeitsvertrag hat, muss aufpassen, dass er die Vorgaben einhält. Solche Leistungskataloge dürfen nicht Schule machen, weil sie die psychische Belastung unverhältnismäßig verstärken, meint Matthias Schiermeyer.

Stuttgart - Der Aufschrei war groß, als die Kriterien der Post AG für die Entfristung von Arbeitsverträgen bekannt wurden. „Menschenverachtend und sittenwidrig“, lautete einer der Kommentare aus der Bundestagsopposition. Ganz so dramatisch sieht es nicht einmal die zuständige Gewerkschaft Verdi. Denn zugleich stellt sich die Unternehmensführung der Aufgabe, Tausende Verträge zu entfristen. Und die Vorgesetzten schauen laut Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite durchaus auf den Einzelfall, falls ein befristet Beschäftigter eines der Kriterien gerissen haben sollte.

Stress und Unsicherheit machen krank

Selbstverständlich darf ein Unternehmen darauf achten, dass alle Angestellten gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen. Wer unwillig ist, muss Konsequenzen tragen. Dennoch sei vor Leistungskatalogen wie bei der Post gewarnt, denn sie vergrößern den Stress und die Unsicherheit der Betroffenen. Leistungsverdichtung und prekäre Verhältnisse wie die Leiharbeit bewirken seit einigen Jahren ohnehin, dass die Ausfalltage deutlich zunehmen, während körperliche Beschwernisse weniger Krankmeldungen auslösen als früher. Die Digitalisierung wird die psychische Belastung weiter verstärken, weil sie – siehe Amazon – die Überwachung und Sanktionierung der Mitarbeiter erleichtert. Viele speziell ältere Kräfte schaffen es unter diesen Bedingungen nicht mehr, die Leistungsvorgaben einzuhalten und müssen Zwangspausen einlegen. Unterm Strich bleibt ein hoher Schaden für die Volkswirtschaft.

Fragwürdige Bekenntnisse zur „guten Arbeit“

Wenn aber – von rühmlichen Ausnahmen abgesehen – die Unternehmen den Trend nicht umkehren wollen, muss die Politik reagieren. Was die sachgrundlosen Befristungen angeht, so haben Union und SPD im Koalitionsvertrag schon die richtige Richtung vorgegeben. Demnach wird die bisherige Praxis deutlich eingeschränkt.

Ein großes Ärgernis bleibt jedoch, dass der Staat nicht bereit ist, seine eigenen Verhältnisse in Ordnung zu bringen. Der öffentliche Dienst – und im aktuellen Fall die Landesministerien und ihre nachgeordneten Behörden in Baden-Württemberg – ist Vorreiter bei den Befristungen. Wenn die Politik selbst an der Stelle nicht substanziell vorankommt, hat sie keine Vorbildfunktion. Dann nützen auch alle Bekenntnisse zur „guten Arbeit“ herzlich wenig.