Spielerberater Jorge Mendes (links) mit seinem Schützling und Superstar Cristiano Ronaldo. Foto:  

Vor dem Halbfinale gegen Chile im Confed-Cup dreht sich bei Portugal alles um Superstar Cristiano Ronaldo und dessen Berater Jorge Mendes. Der 51-Jährige ist der große Strippenzieher des Weltfußballs.

Madrid/Kasan - Radamel Falcao. Ein eigener Mann. Einer aus der „Familie“, wie Jorge Mendes seine Fußballer gern nennt. Der hat den Spielerberater offenbar angeschwärzt, aber womöglich hatte er keine andere Wahl. Vor Gericht muss man ja die Wahrheit sagen, zumal in einem Strafverfahren. Und so war Mendes nach übereinstimmenden Medienberichten selbst geladen an das Tribunal im Madrider Vorort Pozuelo de Alarcón, wo auch die Steueranzeige gegen Cristiano Ronaldo deponiert ist.

Ronaldo, Falcao, Ricardo Carvalho, Ángel Di María, Fábio Coentrão und auch José Mourinho: alles Mendes-Klienten, alle haben oder hatten Rechtsstreitigkeiten am Hals. Immer geht es um Steuern, Briefkastenfirmen in Irland, Neuseeland, der Karibik oder überall gleichzeitig, selbst die Formulierungen in den Anklagen sind quasi identisch. Spieler X „hat eine Struktur geschaffen mit dem einzigen Ziel, das spanische Finanzamt zu täuschen“. Haben sich zufällig alle unabhängig voneinander dasselbe ausgedacht? Falcao soll konkret Mendes als einen der Ideengeber genannt haben. Das würde den Verdacht auf die Drahtzieherschaft bei einem kollektiven Steuerbetrug und damit sehr ernsthafte Probleme für den Star der Spieleragenten bedeuten. Mendes hat die Existenz des Gerichtstermins im Vorfeld verneint, so wie er sich auch immer nur um den Transfer seiner Spieler, nie aber um den von deren Geldern gekümmert habe.

Mendes kontrolliert den halben portugiesischen Nationalkader

Menschen zusammenbringen – das gilt als Schlüsselqualifikation eines Mannes, dessen fast unwirklicher Aufstieg am Strand von Lissabon begann, wo er von seiner Mutter geflochtene Strohhüte verkaufte. Er setzte sich fort beim Club Lanheses, für den er umsonst spielte und im Gegenzug die Werbebanden vermarkten durfte. Mendes eröffnete eine Videothek, dann eine Diskothek. Dort lernte er Nuno Espirito Santo kennen, der bald sein erster Klient wurde. So etwas ging immer schnell bei Mendes: Ein begnadeter Menschenfänger mit besonderer Intuition für Kickerseelen.

„Er regelt dir das Leben“, sagte Nuno mal, und dafür sind Fußballer oft schon aus Unsicherheit sehr dankbar. Mendes vermittelt seiner Familie das Gefühl, dass sich um die hässlichen Seiten der Branche gekümmert wird. Außerdem ist es lustig mit ihm. Seine spätabendlichen Tischgesellschaften gelten als legendär. Mit Nuno inszenierte er sogar eine Räubergeschichte, als er ihn bei sich zu Hause versteckte, um ihn von seinem Verein Vitoria Guimarães freizupressen. 20 Jahre ist das her. Und eigentlich hatte der Spielerberater längst geschafft, dass solche Episoden als Folklore einer wilden Gründerzeit verstanden wurden und nicht als Beleg für eine gewisse kriminelle Energie.

Heute kontrolliert Mendes regelmäßig den halben portugiesischen Nationalkader, manchmal mehr. Auch in Spanien und Südamerika mischt er seit Langem größer mit als alle anderen. Seine Fußballergeschäfte haben ihn so reich gemacht, dass Mourinho während seiner Zeit bei Real Madrid einmal zu seinen ja auch nicht gerade armen Profis sagte: „Ihr macht euch keine Vorstellung davon, wie viel Geld dieser Mann hat.“ Sein Erfolgsmythos gründet sich darauf, dass er nie jemanden enttäuschte. Wenn einer seiner Spieler irgendwo unglücklich war, verschaffte er ihm anderswo einen besseren Vertrag. Wenn ein Verein einen seiner Spieler nicht mehr brauchte, sorgte er dafür, dass er ohne Verlust, meistens mit Gewinn weiterverkauft wurde. Notfalls nach Russland, in die Türkei oder nach China. Überall wo Geld ist, unterhält er beste Kontakte.

Ohneeinander wären Ronaldo und Mendes nicht so groß geworden

Seine Geschäfte hat er immer weiter diversifiziert. Er beteiligte den chinesischen Businessmogul Guo Guangchang („Warren Buffett von Shanghai“) an Gestifute und ließ Ronaldo seine Bildrechte an den befreundeten Investor Peter Lim verkaufen. Lim gehört auch der FC Valencia, Fosun ist bei den Wolverhampton Wanderers eingestiegen. Umgehend wurden beide Vereine nicht nur zu Trainerstationen von Nuno Espirito Santo, sondern auch zu Park– und Aufwertungsplätzen für Mendes-Profis. Auch Atlético Madrid, AS Monaco, Besiktas Istanbul oder Zenit St. Petersburg werden oder wurden von Mendes eng beraten, die portugiesischen Topvereine sowieso. Mendes sehe sich nicht als bloßer Spielerberater, er wolle der „Gordon Gekko des Fußballs“ sein, zitierte die spanische Zeitung „El País“ kürzlich einen Branchenkollegen.

Bei Ronaldo managt Mendes’ Tochter Marisa den Social-Media-Auftritt, und sollte der Weltfußballer im Sommer wirklich wechseln wollen, würde Mendes im Falle von Manchester United mit Trainer Mourinho verhandeln, einem Mendes-Klienten, und bei Paris St.-Germain mit Sportdirektor Luis Campos, einem anderen Mendes-Klienten. Doch der Fall geht tiefer, ans Eingemachte einer sehr engen Beziehung. Ohneeinander wären beide nicht so groß geworden, und Ronaldo, der seinen verstorbenen Vater nur als Alkoholiker kennenlernte, hat nie verhehlt, dass er in Mendes den Ersatz fand, der ihm Stabilität und Zuspruch für seine planetarische Karriere gab. Ronaldo würde ihn nie belasten, das ist klar. Doch ob sich beide retten können, ist eine andere Frage.