Erfolgreicher Unternehmer in Kroatien: Mate Rimac Foto: AFP

In einem Land ohne Automobilindustrie fertigt der Kroate Mate Rimac die schnellsten Elektroautos der Welt.

Zagreb - In den unscheinbaren Werkshallen vor den Toren der kroatischen Hauptstadt Zagreb hat die elektronische Automobilzukunft längst begonnen. Lautlos fräsen im Vorort Sveta Nedelja computergesteuerte CNC-Maschinen die Komponenten für die PS-starken Elektromotoren aus Aluminiumblöcken. Von Hand werden beim Hightechunternehmen Rimac Automobili hingegen die Karbonkarosserien für die millionenschweren Luxusschlitten geschichtet: Ausgerechnet im automobilen Niemandsland Kroatien werden die schnellsten Elektroautos der Welt entwickelt – und gefertigt.

Sorgfältig polieren zwei Monteure die Flanken des Supersportwagens Concept One. Vier Elektromotoren mit einer Gesamtleistung von 913 kW (1224 PS) schlummern unter der Karosserie des in einer Kleinstauflage von acht Exemplaren produzierten Luxusschlittens. Den 2013 erworbenen Titel als das am schnellsten beschleunigende Elektroautos der Welt hat das Kraftpaket allerdings an seinen Nachfolger abgetreten. Zum Stückpreis von 1,2 Millionen Euro soll der 2018 in Genf vorgestellte Concept Two ab 2020 gefertigt werden: Das 412 Kilometer schnelle Highspeedgefährt beschleunigt in 11,8 Sekunden von null auf Tempo 300.

Zunächst erntete der Tüftler nur den Hohn der Konkurrenz

Der Schöpfer der futuristischen Flüsterflitzer ist Mate Rimac, trägt Bart – und ist 31 Jahre jung. 1988 im bosnischen Livno geboren hatte der Sohn eines kroatischen Bauunternehmers den Großteil seiner Kindheit in Frankfurt am Main verbracht. Nach dem Umzug der Familie ins kroatische Samobor machte der Schüler durch seinen Tüfteldrang von sich reden. Von jedem Schülerwettbewerb kehrte der von dem Physiker Nikola Tesla faszinierte Jungerfinder mit neuen Anregungen zurück. Schon als Jugendlicher ließ er seine Erfindungen patentieren: wie den iGlove – einen die Computertastatur ersetzenden Hightechhandschuh.

Es war seine Leidenschaft für schnelle Autos, die ihn schon früh an leistungsstarken Elektromotoren basteln ließ. Als er 18 wurde, habe er einen 1984er BMW E30 erworben, um Rennen zu fahren, erzählt Kroatiens Unternehmer des Jahres. Als der Motor seines alterschwachen Vehikels den Geist aufgab, rüstete er es kurzerhand auf Elektroantrieb um: „Ich wollte zeigen, zu was Elektromotoren in der Lage sind.“

Zunächst erntete der Tüftler nur den Hohn der Konkurrenz. Doch trotz zahlreicher Rückschläge glückte es ihm, die Leistungskraft des Motors und der Batterien zu verbessern. Sein Traum vom selbst entwickelten Elektrosportwagen nahm nach einem Treffen mit dem italienischen Autodesigner Adriano Mudri konkretere Formen an. Die Entwürfe seines ersten Mitarbeiters konnten einen ersten Geldgeber in Abu Dhabi überzeugen: Dank dessen Anschubhilfe gelang es Rimac mit einer Handvoll Mitstreitern, in wenigen Monaten den ersten Prototyp des Concept One zu fertigen und 2011 zu präsentieren.

Neben dem fehlenden Kapital erwiesen sich die unwilligen Zulieferer als größtes Problem

Doch zur Entwicklung eines serienreifen Elektrowagens war es für den Jungunternehmer trotz des Anfangserfolgs ein weiter Weg. Eigentlich sei es „unmöglich“, in der sehr kapitalintensiven Automobilindustrie angesichts ihrer hohen Zugangsbarrieren Fuß zu fassen, sagt Rimac. „Vielleicht war unser naiver Glaube, es schaffen zu können, auch ein Vorteil.“ Neben dem fehlenden Kapital erwiesen sich die unwilligen Zulieferer als das größte Problem. Diese seien es gewohnt, für Großkonzerne und nur in sehr hohen Stückzahlen zu liefern: „Sie forderten selbst für die Entwicklung kleinster Komponenten Millionenbeträge. Weil wir die nicht hatten, mussten wir von Anfang an alles selbst entwickeln und fertigen.“ Die einstige Zuliefernot hat sich längst als Entwicklungstugend erwiesen. Obwohl Technologieentwicklung im Kundenauftrag längst ein Hauptstandbein ist, will Rimac Kleinserienhersteller von elektronischen Supersportwagen bleiben: „Die Autos sind unser Aushängeschild – und das beste Testfeld für unsere Entwicklungen.“

Als Rimac seinen alten BMW zum Elektroauto umrüstete, galt er als Exot. Heute haben Elektro- und Hybridautos Konjunktur. Zum Kundenkreis von Rimac zählen Aston Martin, Seat, Hyundai, Kia, Porsche oder die Superportwagenhersteller Koenigsegg und Pagani. Mit den von Rimac gefertigten „Greyp“-E-Bikes lassen sich Fußballstars wie Lionel Messi oder Gerard Piqué ablichten. Nachdem 2017 der chinesische Autobatterieproduzent Camel Group 30 Millionen Euro in die Firma investierte, beteiligte sich Porsche 2018 mit zehn Prozent an Rimac Automobili. Mitte Mai kündigten Hyundai und Kia an, für 80 Millionen Euro eine Beteiligung von 13,7 Prozent zu übernehmen. Der derzeitige Wert des Zukunftsunternehmens beträgt laut kroatischen Medien 587 Millionen Euro, Tendenz steigend.