Trotz Krankheit schaffte Gerd Kauler den Marathon durch die Straßen Honolulus. Foto: privat

Porträt der Woche: Gerd Kauler ist laufverrückt. Seinen zehnten Marathon hat er in Honolulu absolviert. Vor Ort drohte eine Erkältung, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Sillenbuch/Ruit - Der zehnte Marathon sollte ein besonderer werden. Also hat Gerd Kauler seinen Marathon-Reiseführer aufgeschlagen und sich für den weitmöglichst entfernten Lauf entschieden: den Honolulu-Marathon auf Hawaii. Flugs hat er seine Frau Jutta eingepackt und flog mit ihr auf das Atoll zur Herausforderung seines Lebens. Vor Ort drohte eine Erkältung, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Der Druck war groß, doch Kauler hielt durch und schaffte die 42,195 Kilometer in vier Stunden und acht Minuten. „Im Ziel habe ich geheult“, gesteht er.

Die Läufe kann er nicht mehr zählen

Die Läufe kann er nicht mehr zählen

Mehr als ein Jahr später sitzt der Läufer des SV Sillenbuch, der gestern seinen 53. Geburtstag gefeiert hat, am Esstisch in seinem Wohnzimmer in Ruit und erzählt von dem Erlebnis, das ihn geprägt hat. Die Tränen sind längst getrocknet, heute sprudeln nur noch die Erinnerungen aus ihm heraus. Über der Couch hängen die gesammelten Medaillen der vergangenen 15 Jahre. Zehn zeugen von erfolgreichen Marathons, mindestens doppelt so viele von halb so weiten Läufen. „Bei allen anderen, also den Zehn-Kilometer- oder den Staffelläufen, gibt es keine Medaille“, erklärt Kauler. Wie viele Läufe er inzwischen insgesamt absolviert hat, kann er schon nicht mehr zählen.

Dabei hat Gerd Kauler recht spät mit dem Wettkampf-Laufen begonnen. „Mit Ende 30 hatte ich gut an Gewicht zugelegt“, erzählt er. Also begann er mit dem Joggen. Erst nur ab und zu „und dann hat sich das eben so entwickelt“, sagt er. Damals wohnte die Familie noch im bayerischen Berchtesgaden. Sechs Jahre lang lebten die Keulers dort, um die schwere Neurodermitis einer der beiden Töchter zu kurieren. Zu Hause fühlten sie sich aber nie, die Oberbayern hätten sie nicht wirklich akzeptiert. Irgendwann siegte das „Heimweh nach den Schwaben“, sagt Kauler. Zurück im Stuttgarter Umland, schloss sich der gebürtige Esslinger der Laufsportabteilung des SV Sillenbuch an.

In jedem Urlaub läuft er einen Marathon

Ein Leben ohne Bewegung kann sich Gerd Kauler nicht vorstellen. Wenn er keinen Sport macht, ist er wie ein Tiger im Käfig. „Einen Urlaub, in dem man nur am Strand liegt, können wir uns nicht vorstellen“, sagt er. In jedem Urlaub läuft er einen Marathon, davor und danach wandern die Keulers oder schauen sich Städte an.

„Was ich einmal mache, wenn ich nicht mehr laufen kann, weiß ich nicht“, sagt Gerd Kauler „Wahrscheinlich würde ich etwas anderes extrem machen, zum Beispiel Rennradfahren.“ Einen Vorgeschmack brachte eine Verletzungspause vor ein paar Jahren, die Leiste machte Zicken. „Irgendwann habe ich Aquajogging gemacht, weil ich nicht mehr wusste, was ich tun soll“, erzählt Kauler. Mit einem Schwimmgürtel um die Hüften lief er die Bahnen des Beckens im Hallenbad auf und ab. Die anderen Badegäste habe das sehr amüsiert.

Der Sport ist Ausgleich zum Beruf

Der Sport ist Ausgleich zum Beruf

Gerd Kauler fordert sich mit dem Laufen selbst immer wieder aufs Neue heraus. Doch er braucht den Sport auch als Ausgleich zu seinem anstrengenden Beruf, wie er sagt. Kauler ist Krankenpfleger in der Ambulanz des Ruiter Krankenhauses. Kein Beruf passt auf Anhieb besser zu dem Mann, der schon bei der ersten Begegnung so offen und hilfsbereit wirkt. Der Job sei kräftezehrend, aber „man bekommt so viel zurück, wenn die Patienten so dankbar sind, dass man ihnen hilft“, sagt Kauler.

Wenn er nicht gerade läuft, was er etwa drei Mal pro Woche tut, oder auf Reisen ist, liest Gerd Kauler gerne Krimis, „am liebsten die von Kommissar Kluftinger“, geht zu Konzerten, in Musicals oder in Irish Pubs. „Wir sind nämlich auch totale Irland-Fans“, sagt Kauler und deutet auf die Brettchen mit Guinness-Werbung darauf, die als Platzsets dienen. Vier mal sei das Ehepaar schon in dem Land gewesen, in dem es das „spezielle Grün“ gibt. Vielleicht besuchen sie die Insel schon nächstes Jahr wieder. Um sich Dublin anzuschauen. Und den Dublin-Marathon zu laufen.