Ferdinand Piëch (links) blickt stoisch auf Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche im Vordergrund während der Hauptversammlung in der Porsche-Arena . Foto: dpa

Ferdinand Piëch hat nicht gekniffen. Der ehemalige VW-Patriarch, um den es sehr einsam geworden ist, seit er fast alle Ämter im Autokonzern aufgegeben hat, ließ auf der Porsche-Hauptversammlung die Kritik an sich abperlen.

Stuttgart - Ferdinand Piëch erscheint früh. Als einer der ersten Aufsichtsräte nimmt der 80-Jährige auf dem langen weißen Podium Platz. Er wirkt blasser als früher, blickt ins Leere. Seine Gattin Ursula, die ihn im blauen Panamera zur Stuttgarter Porsche-Arena chauffiert hat, sitzt unter den Aktionären, flankiert von ihrem jüngsten Sohn Gregor sowie Piëchs Anwalt und engem Vertrauten Hans-Joachim Holzapfel.

Mit Spannung war erwartet worden, ob Piëch zum Aktionärstreffen kommen würde. Zu den letzten beiden Hauptversammlungen war der einst mächtigste Mann der deutschen Autoindustrie nicht erschienen. Es war einsam um ihn geworden, nachdem er vor zwei Jahren den Machtkampf mit dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn verloren und den Aufsichtsratsvorsitz von VW wie fast alle Ämter im weitverzweigten Reich des Wolfsburger Konzerns aufgegeben hatte – bis auf seinen Aufsichtsratssitz bei der Stuttgarter Porsche Automobil Holding SE. Über diese Finanzholding halten die Familien Porsche und Piëch die Mehrheit der Stimmrechte von VW. Die Beteiligung an VW macht mehr als 90 Prozent der Vermögenswerte der Porsche Holding aus.

Es dürfte der letzte Auftritt von Ferdinand Piëch gewesen sein

Es dürfte der letzte Auftritt von Ferdinand Piëch bei einer Hauptversammlung in Stuttgart sein. Denn der ehemalige VW-Patriarch hat im April seine Anteile bis auf einen kleinen Rest an weitere Mitglieder der Familien Porsche und Piëch verkauft. Bisher war er mit 14,7 Prozent an der Holding beteiligt. Porsche hat angekündigt, dass der Enkel des Käfer-Konstrukteurs seinen Platz im Kontrollgremium behalten wolle, bis die Finanzaufsicht und die Kartellbehörden grünes Licht für den Aktien-Deal gegeben haben. Deshalb stellte er sich am Dienstag wie die anderen Mitglieder der Kapitalseite des Aufsichtsrats erneut zur Wahl.

Die Neuwahl war erforderlich, weil die Arbeitnehmerseite ihr Stimmrecht ruhen lassen und keine Vertreter mehr in das Kontrollgremium entsenden will. Begründet wird dies damit, dass die vor zehn Jahren gegründete Holding heute eine ganz andere Rolle spielt als ursprünglich geplant. Der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wollte sie zur Machtzentrale eines Automobilimperiums ausbauen. Unter dem Dach der Holding sollten VW und Porsche angesiedelt werden. Weil die Übernahme von VW scheiterte und der Sportwagenbauer zur VW-Tochter wurde, ist sie heute eine schlanke Finanzholding mit nur 30 Mitarbeitern.

An der erneuten Wahl Ferdinand Piëchs, wie auch der anderen bisherigen Aufsichtsräte der Kapitalseite, gab es von Anfang an keinen Zweifel, weil die Familien Porsche und Piëch sämtliche stimmberechtigten Aktien der Holding halten. Die anderen Anteilseigner müssen sich mit Vorzugsaktien ohne Stimmrecht begnügen. Damit wird Wolfgang Porsche wie bereits seit der Gründung auch weiterhin Aufsichtratschef der Stuttgarter Holding sein, deren Kontrollgremium künftig nur noch aus sechs Mitgliedern besteht. Der frühere Henkel-Chef Ulrich Lehner ist nun der einzige Aufsichtsrat, der nicht zum PS-Clan gehört.

Es ist nicht schmeichelhaft, was Piëch von Aktionären zu hören bekommt

Ferdinand Piëch derweil schweigt auf der Hauptversammlung hartnäckig, obwohl ihn Daniel Jenderek von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz auffordert, sich zur Frage zu äußern, ob Piëch tatsächlich wie angekündigt aus dem Aufsichtsrat ausscheiden wird, sobald der Verkauf seiner Anteile abgewickelt sein wird. Jenderek erhält Beifall von anderen Aktionären für seine Forderung. Piëch verfolgt diese und die anderen Diskussionen regungslos, mit starrer Miene; munter wird er nur, wenn er sich mit Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück unterhält, der zu seiner Linken sitzt oder mit Hans-Peter Porsche auf der anderen Seite.

Es ist nicht schmeichelhaft, was Piëch von den Aktionären zu hören bekommt. „Ich hätte Sie nicht vermisst“, ruft ihm ein Aktionär mit Baseballkappe zu. Sein Verhalten sei untragbar und unfair gewesen, schimpft der Aktionär. Damit spielt er darauf an, dass Piëch den Sturz des früheren VW-Chefs Winterkorn einleiten wollte – mit dem im „Spiegel“ erschienenen Satz „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“. Zudem hat Piëch vor einiger Zeit Aufsichtsräten von VW vorgeworfen – darunter auch Wolfgang Porsche –, dass sie im Abgasskandal gelogen hätten.

Die Debatten auf der Hauptversammlung drehen sich um den Abgasskandal

Abgesehen von der Kritik an Piëch drehen sich die Debatten auf der Versammlung vor allem um den Abgasskandal, wie schon bei den Aktionärstreffen von VW und Audi. Es sind die gleichen Argumente und Fragen, die teilweise von den gleichen Rednern wie bei VW und Audi vorgetragen werden. Ein Aktionär spricht von „organisierter Kriminalität“ im Konzern und fragt, ob die hohen Boni der Manager womöglich Schweigegelder waren – was Manfred Döss, der im Porsche-Vorstand für Recht und Compliance zuständig und bei VW Chefjurist ist, zurückweist. Hans Dieter Pötsch, VW-Aufsichtsratschef und Vorstandschef der Porsche-Holding, lässt Fragen nach Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen ihn sowie den früheren VW-Chef Martin Winterkorn und den jetzigen VW-Chef Matthias Müller ins Leere laufen.

Bei Winterkorn und Müller geht es wie bei Pötsch um ihre Rolle als Vorstände der Porsche Holding. Die Staatsanwaltschaft geht dem Anfangsverdacht nach, dass die Öffentlichkeit bewusst zu spät über den Abgasskandal informiert wurde. „Näheres zum Gegenstand der Strafanzeige und des Ermittlungsverfahrens ist der Porsche SE bis heute nicht bekannt“, sagt Pötsch. Das Unternehmen sei davon überzeugt, „dass keines ihrer Organmitglieder gegen kapitalmarktrechtliche oder strafrechtliche Vorschriften verstoßen hat“.