Porsche-Chef Oliver Blume sitzt in einem Porsche 911 GTS. Der Sportwagenbauer will seinen Kunden vermehrt Funktionen automatisierten Fahrens anbieten – das Lenkrad bleibt aber an Bord. Foto: dpa

Oliver Blume gibt sich im Interview mit unserer Zeitung zuversichtlich: Porsche bleibt auf Erfolgskurs. Der Weg führt über Digitalisierung, E-Mobilität und neue Produkte – trotz Krise und Sparprogramms der Konzernmutter VW.

Bahrain -
Herr Blume, Ihr Mutterkonzern Volkswagen wird im Moment heftig durchgeschüttelt. Wie heftig trifft es Porsche?
Porsche steht gut da. 2015 war für uns ein Rekordjahr, und es sieht ganz gut aus, dass wir dieses Jahr noch eine Schippe drauflegen. Wir helfen unserem Mutterkonzern am meisten, wenn wir gute Zahlen abliefern – und das tun wir. Von den vergangene Woche für die Marke Volkswagen verabschiedeten Maßnahmen sind wir nicht betroffen.
Drückt es auf Ihre Stimmung, dass Sie ein Unternehmen führen, das seit Jahren Spitzenergebnisse liefert und nun in Mithaftung genommen wird für Dinge, die andernorts schiefgelaufen sind?
Ich konzentriere mich voll und ganz auf Porsche. Und bei uns gibt es auch viele gute Nachrichten: Erst am Wochenende haben wir im Motorsport das Triple in dieser Saison komplett gemacht – nach Le Mans haben wir den WM-Titel in der Hersteller- und Fahrer-Wertung gewonnen.
Heißt das, die Sparvorgaben sind komplett folgenlos für Porsche?
Bei uns wird traditionell äußerst sparsam gewirtschaftet. Das ist bestimmt auch die schwäbische Mentalität. Wir drehen jeden Euro zweimal um – und aktuell vielleicht sogar dreimal. Ganz wichtig ist aber, dass wir bei unseren Produkten auf dem Gas bleiben.
Konkret: Sie fahren wegen der Sparvorgaben keinerlei Investitionen zurück?
Wir hinterfragen natürlich alle Investitionen und schauen, wo wir sparen können. Das war in der Vergangenheit aber nicht anders. Es wäre jedoch ein falsches Signal, jetzt nicht in die Zukunft zu investieren.
Halten Sie an Ihrem Rennsport-Engagement in vollem Umfang fest?
Ja, wir fahren unser Motorsport-Programm so weiter. Für uns ist das schließlich nicht nur Spaß. Wir nutzen die Rennstrecken als Erprobungslabors. Was sich im Rennsport bewährt, kann auch in der Serie genutzt werden – Beispiel Hybridantrieb. Langstreckenrennen sind da besonders interessant, weil sie die härtesten Bedingungen bieten, unter denen wir unsere Technik ausprobieren können. Beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans beispielsweise werden mehr Kilometer gefahren als in der Formel 1 während der gesamten Saison. Deshalb werden wir uns 2017 unverändert in der Langstrecken-Weltmeisterschaft engagieren.
Um in die entgegengesetzte Richtung zu schauen: Welche Bedeutung hat das autonome Fahren für Porsche?
Auch in Zukunft will man einen Porsche selbst fahren. Aber um es aus dem eigenen Erleben zu sagen: Wenn ich in Stuttgart morgens auf dem Weg zur Arbeit im Stau stecke, dann würde ich es als große Erleichterung empfinden, wenn ich in dieser Zeit die Stuttgarter Nachrichten lesen könnte und das Auto autonom fahren würde. Ebenso, wenn mir mein Auto schon mal einen Überblick geben würde, was heute auf meinem Terminkalender steht. Und dass es, wenn ich abends in ein Restaurant will und keinen Parkplatz finde, sich selber einen sucht und einparkt.
Geht dieses betreute Autofahren nicht komplett an den Emotionen der Porsche-Kunden vorbei, die doch die Herausforderung und die Illusion lieben, die vielen PS zu beherrschen, die Sie den Fahrern zur Verfügung stellen?
Das eine schließt das andere nicht aus. An vielen Stellen erleichtert autonomes Fahren unser Leben, an anderen bereichert es auch den Porsche-Fahrer. Ein Beispiel, das heute noch Zukunftsmusik ist: Wenn ich am Wochenende mit meinem Porsche auf einer Rennstrecke fahren will – etwa in unserem Experience-Center in Leipzig oder auf dem Nürburgring –, dann kann ich künftig eine App runterladen. Einer unserer Rennfahrer – vielleicht Mark Webber oder Walter Röhrl – sitzt dann virtuell am Steuer und zeigt, wo wie stark gebremst oder beschleunigt wird, wo in welcher Kurve die Ideallinie ist. Ein virtueller Instrukteur also. Dann fahre ich selber. Danach kann ich meine Daten mit der App abgleichen und hervorragend daraus lernen.
Das heißt, für Porsche liegt die Zukunft im teilautonomen Fahren?
Ja und nein. Wir werden viele Funktionen des automatisierten Fahrens anbieten. Unsere Fahrzeuge werden aber immer ein Lenkrad haben und dem Fahrer die Möglichkeit bieten, selbst zu übernehmen. Wir werden auch weiterhin Wagen mit Handschaltung anbieten. Die Kunden sollen selbst entscheiden, was sie im Auto haben wollen. Der eine mag es puristisch, der andere schätzt Assistenzsysteme.
Welchen Anteil soll das Thema autonomes Fahren in den kommenden drei Jahren in der Wertschöpfung von Porsche haben?
Das wird noch relativ übersichtlich sein. Viel wichtiger: Die Digitalisierung spielt vor allem in der Fertigung eine schnell wachsende Rolle. Aber auch da setzen wir digitale Methoden nur dort ein, wo wir uns qualitative Vorteile versprechen. Wo wir effizienter werden. Ich sehe Digitalisierung als große Chance, weil mit ihr neue Arbeitsplätze entstehen.
Wo genau bei Porsche?
Ein Beispiel sind digitale Systeme zur Qualitätssicherung. Da brauchen wir neue Qualifikationen. Da werden sich auch Berufsfelder verändern. Wir kümmern uns heute schon darum und bilden Mitarbeiter weiter. Außerdem wird die Digitalisierung neues Geschäft bringen, weil wir unser Angebot erweitern können.
Porsche setzt mit Batterieantrieben Maßstäbe – nicht zuletzt durch Ihr Weltmeisterauto 919 Hybrid. Die Betriebsräte Ihres Hauses, von VW und Daimler haben sich stark für eine gemeinsame Batterieproduktion eingesetzt. Jetzt setzt VW in Salzgitter auf den Alleingang. Wird dieses Werk auch Porsche beliefern?
Die genauen Lieferketten sind noch nicht festgelegt. Die Spannbreite ist da sehr groß – von der Zellenfertigung über die Zellenmontage bis zum kompletten E-Fahrzeug. Für unser Modell, den Mission  E, planen wir die Montage mit einem Partner in der Nähe unseres Werkes in Stuttgart-Zuffenhausen. Diese Nähe ist mir wichtig. Schließlich haben wir dabei viel Masse zu transportieren, dazu kommen Sicherheitsaspekte. Aber natürlich ist auch eine Batteriefertigung im Volkswagen-Konzern für uns interessant.
Wer ist Ihr Partner?
Wir arbeiten mit der Firma Dräxlmaier in Böblingen zusammen. Mit ihr montieren wir die Zellen. Der Zellenlieferant ist LG aus Korea.
Wäre es eine Option zu sagen: Das Batteriethema soll komplett ein Lieferant wie Bosch machen, der hier schon sehr weit ist und jedes Jahr erheblich investiert?
Porsche ist ein relativ kleines Unternehmen. Wir sind auf Partner angewiesen und werden auch in Zukunft beobachten, was auf dem Markt ist und was wir benötigen.
Wird sich die Batterie durchsetzen oder eher E-Fuels mit einer wesentlich höheren Energiedichte?
Wir sehen eine große Zukunft für die Batterietechnologie und erwarten hier erhebliche Leistungssprünge. Daher konzentrieren wir uns darauf. Der Erfolg der Elektromobilität hängt davon ab, den Kunden ein attraktives Angebot zu machen. Das heißt große Reichweiten – wir werden mit dem Mission  E rund 500 Kilometer anbieten. Das heißt auch kurze Ladezeiten – wir zielen auf 15 Minuten Ladezeit für 80 Prozent der Kapazität, also auf die durchschnittliche Aufenthaltszeit an der Autobahnraststätte. Ein dritter Faktor ist ein ausreichendes Ladenetz.
Namhafte Autohersteller haben angekündigt, das Thema Ladenetz selber angehen zu wollen. Inwieweit ist Porsche mit dabei?
Wir stehen in intensiven Verhandlungen mit anderen Herstellern. Das ist ein Thema, das man nicht allein für Deutschland angehen kann. Daher konzentrieren unsere Partner und wir uns auf die großen europäischen Märkte und auf Nordamerika. China ist anders: Da findet der E-Verkehr in den Städten statt, die Langstrecken werden vor allem mit Zug und Flugzeug zurückgelegt.
Wie viel werden Sie in das Netz investieren?
Das hängt von der Größe des Netzes und der Zahl der Ladestationen ab. Und von der Anzahl der Partner. Daher kann ich heute noch keine Größenordnung nennen.
Da stelle ich mir die Tage vor, an denen 150 000 Autos auf der A 8 an Stuttgart vorbeiwollen. Wie realistisch ist da die E-Option?
Ende des Jahrzehnts, wenn unser Mission E an den Start geht, ist das Realität. Wir brauchen ein gutes Netz von Beginn an; das wird sich dann rapide erweitern.
Gibt es dann auch ein europaweit einheitliches Bezahlsystem dazu?
Hoffentlich. Ich stelle mir das alles komplett digital vor. Sie sehen schon auf dem Weg: Wo ist eine freie Ladesäule? Wie viel muss ich laden, um wohin zu kommen? Wie lange dauert es? Und dann bucht man sich dort ein, das Entgelt wird automatisch abgezogen, die Rechnung kommt per Mail.
Vergangene Woche waren Sie in den USA. Wie ist Ihr Eindruck: Wird Porsche in der Autobranche zum Verlierer der Präsidentschaftswahl?
Die USA sind ein Porsche-Land. Wir wachsen in den USA nach wie vor sehr stark. Vergangene Woche hat unsere amerikanische Tochter in Los Angeles das zweite Experience-Center in den USA eröffnet. Das erfährt einen riesigen Zuspruch.
Nun ist Publikumsinteresse das eine. Etwas anderes sind die Ankündigungen des gewählten Präsidenten. Läuft Porsche Gefahr, sich außerhalb der Handelsmauern wiederzufinden, die Herr Trump errichten will?
Wir beobachten die Entwicklungen intensiv. Ich habe aber keine Befürchtungen.
Wäre es, um gar nicht erst in eine solche Gefahr zu geraten, eine Möglichkeit, Produktionsteile zum Beispiel in das VW-Werk im amerikanischen Chattanooga zu verlagern?
Das steht nicht zur Debatte. Ein Stück weit verdanken wir unseren Erfolg ja dem Label „Made in Germany“. Und auch wenn die USA unser zweitgrößter Markt sind: Bei unseren exklusiven Stückzahlen würde sich eine eigene Produktion vor Ort nicht lohnen.
Wenn die USA nun wieder ganz auf Öl setzen wollen – beeinflusst das Ihre Weichenstellung für die Antrieb-Entwicklung?
Nein, wir haben eine ganz klare Strategie. Wir sehen in der Elektromobilität einen wesentlichen Baustein für unsere Zukunft. Ich gehe davon aus, dass es in den kommenden zehn Jahren eine Koexistenz von drei Antriebsarten geben wird: Elektro, Plug-in-Hybride und Verbrenner. Darauf richten wir unsere Produktpalette aus. Außerdem stellen wir als Porsche uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Dazu gehören umweltschonende Technologien. Den rein elektrisch betriebenen Mission  E entwickeln wir gerade. Ende des Jahrzehnts kommt er auf den Markt. Genau zum richtigen Zeitpunkt, da bin ich mir sicher. Und zwar unabhängig davon, was sich zurzeit politisch in der Welt abspielt.