Der neue Porsche 911 bei der Präsentation auf der IAA Foto: Porsche

Schaut man auf die Verkaufszahlen, spielt der 911er für Porsche im Vergleich zu den Geländewagen nur noch eine untergeordnete Rolle. Doch er ist und bleibt das Referenzmodell des Sportwagenbauers.

Frankfurt - In mehreren Farben und Varianten steht der neue Porsche 911 im gleißenden Licht der Scheinwerfer in Halle 3 der Frankfurter Messe, umringt von einer Traube neugieriger Besucher. Auf der IAA, die von diesem Samstag an auch für das breite Publikum geöffnet hat, präsentiert der Stuttgarter Sportwagenbauer seinen aufgewerteten Klassiker. Und wie immer ist das Interesse groß. Das Facelift fällt rein äußerlich zurückhaltend aus, die Unterschiede zum Vorgänger sind erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Da sind die neuen Stoßfänger mit den feiner gezeichneten LED-Tagfahrleuchten, die dreidimensionalen Rücklichter oder die Bremslichter, die jetzt ähnlich wie beim Macan in Vier-Punkt-Optik erstrahlen.

Die wahre Revolution findet aber unter dem Blech statt. Statt eines Saugmotors arbeitet nun auch im Carrera und Carrera S ein Biturbo. Die Dreiliter-Boxer sind komplett neu und nicht zuletzt den Abgasvorschriften der EU geschuldet. Sie leisten 370 (Carrera) oder 420 PS (Carrera S). Die Leistung ist gestiegen, der Verbrauch gegenüber dem Vorgänger um 12 Prozent gesunken – auf 7,4 Liter pro 100 km und damit innerhalb von 30 Jahren um fast die Hälfte. „Überragende Fahrdynamik und Effizienz, gepaart mit einer sinnlich schönen, zeitlosen Form – das kennzeichnet einen 911er“, schwärmt Porsche-Chef Matthias Müller bei der Präsentation vor Journalisten. Und verspricht: „Die Nordschleife am Nürburgring schafft er acht Sekunden schneller als der Vorgänger.“

Fans betrachten jede Neuerung kritisch

Es ist ein heikles Unterfangen, einen Klassiker wie den 911er immer wieder neu erfinden zu müssen. „Wir gehen da recht nüchtern ran und schauen einfach, wo wir noch etwas verbessern können und was bleiben kann“, sagt Müller im Gespräch mit unserer Zeitung. Doch jede Neuerung wird von den Fans und Kunden auf der ganzen Welt besonders kritisch betrachtet. In Workshops loten die Entwicklern daher gemeinsam mit Porschefahrern aus, ob etwa der neue Motor angenommen wird. „Es gab Befürchtungen vor einem Turboloch bei der Beschleunigung und einem schlechteren Sound“, sagt Müller. Doch auch die Zweifler habe man überzeugen können, dass dies der „beste 911er aller Zeiten“ sei. Dazu zählt auch ein deutlich moderneres Infotainment-System, das Verkehrsinformationen in Echtzeit abrufen kann und besser zu bedienen ist. „Die beste Konnektivität“, sagt Müller in Anspielung auf ein auf der IAA häufig strapaziertes Thema, „ist aber immer noch die Bodenhaftung des Fahrzeugs“.

Schaut man auf die bloßen Zahlen, dann ist der 911er nur noch eine von inzwischen sechs Baureihen des Sportwagenherstellers. Bei den Verkäufen liegt er längst weit hinter den Geländewagen zurück. So gingen im Jahr 2014 rund 31 600 Porsche 911 in Kundenhand über. Beim Geländewagen Macan waren es knapp 60 000, beim größeren Bruder Cayenne sogar 66 000 und damit über doppelt so viele. Selbst 911er, Boxster und Cayman sowie die Limousine Panamera kommen zusammen nicht einmal auf 80 000 Exemplare.

Lokale Produktion in China ausgeschlossen

Ist Porsche also heimlich längst zum Geländewagenbauer mutiert? Porsche-Chef Matthias Müller schüttelt energisch mit dem Kopf. „Der 911er ist nach wie vor das wichtigste Auto für Porsche“, sagt er bestimmt. „An ihm orientiert sich das ganze Unternehmen, von ihm leitet sich jedes andere Modell ab – auch unsere Geländewagen sind Sportwagen.“ Müller spricht in diesem Zusammenhang gerne vom Genpool des 911ers für die anderen Baureihen. Auch das Design orientiert sich immer noch am Ur-Modell, das 1963 auf der IAA vorgestellt wurde. Zu sehen ist dies deutlich am Mission E, dem in Frankfurt vorgestellten Elektroflitzer, dessen Formen sich eindeutig auf den 911er beziehen.

Während der Sportwagen auf klassischen Märkten wie Europa oder Nordamerika stark vertreten ist, tröpfelt er in China immer noch in homöopathischen Dosen auf den Markt. China ist für Porsche wie für viele andere Autobauer der wichtigste Markt geworden. Dort gehen aber vor allem die Geländewagen. Bis Ende August exportierte Porsche ins Reich der Mitte rund 13 100 Cayenne und 19 600 Macan, aber nur 847 Einheiten vom 911er. Zum Vergleich: In den USA waren es im gleichen Zeitraum 7430. „Man muss Geduld haben in China“, sagt Müller. Schließlich beginne die Geschichte von Porsche in China erst mit dem ersten Import im Jahr 2001. „Wir müssen denen im Prinzip erst einmal beibringen, was Porsche überhaupt ist.“ Dies könne beispielsweise über die Rennstrecke funktionieren, die das Unternehmen für Kunden derzeit in Schanghai errichtet. Zudem öffnet China seinen Markt offenbar auch für Oldtimer. Müller hofft, dass sich dann ältere Porsche-Modelle und damit auch der Mythos vom Porsche 911 verbreiten. „Das sind wichtige Bausteine, um Marken- und Traditionspflege aufbauen zu können.“ Eine lokale Produktion in China schließt Müller derzeit noch aus. Die lohne sich erst ab einer Stückzahl von 100 000 Einheiten. Für die Marke wichtig sei zudem, dass die Autos in Deutschland entwickelt und gebaut würden.

Während die Besucher auf der IAA in Frankfurt die Modellpflege neugierig bestaunen, arbeiten die Entwickler längst an der nächsten Generation des 911ers. Der soll im Jahr 2018 auf den Markt kommen. Wieder gilt es, den bewährten Klassiker neu zu erfinden. Matthias Müller ist optimistisch. „Bisher hat das unsere Mannschaft immer ganz gut hingekriegt.“