Wie viel Porno verträgt unser Leben? Davon erzählt das Ein-Mann-Stück „Pornosüchtig“ im Theaterhaus Stuttgart. Eine pornös lustige Comedy-Show vom Broadway.
Sex. Selbstbefriedigung. Pornos. Das sind Begriffe, die in unserer Gesellschaft kaum offen angesprochen werden, zumindest nicht bei Tageslicht. Und das ist es, was das Comedy-Stück „Pornosüchtig“ ausmacht: eine Beichte, die Persönliches und fast schon Peinliches offen anspricht.
Im Alter von elf Jahren stolpert Michael über eine Schachtel mit pornografischen Videokassetten, die sein Vater in einem Schrank versteckt hatte – damit ist die pubertäre Neugier schlagartig geweckt. „Keiner kommt als Perverser auf die Welt, das macht das Leben mit uns“, gesteht Michael (auf der Theaterhaus-Bühne: Boris Rosenberger) – und dies ist der Einstieg in einen „wundervoll versauten Abend“.
Ehrlicher Monolog über Sex und Pornografie
Rosenberger steht in Boxershorts und T-Shirt auf der Bühne. Er spricht in dem Solostück direkt zum Publikum und erzählt mit Hilfe provokativer Soundeffekte und Requisiten sowie sehr viel Charme und Selbstironie, wie Pornos sein Leben beherrschen, sein Bild von Frauen verzerren und und unrealistische Erwartungen schüren. Die fast 90-minütige Aufführung führt das Publikum über eine Achterbahn der Gefühle – von durch Pornos verursachten schmutzigen Träumen in der Kindheit über sexuelle Missgeschicke im Teenageralter bis hin zur sexuellen Reife. Dabei hat der Pornokonsum wohl auch zu einer Art ewigen Unreife geführt. Die Ehrlichkeit des Monologs ist ergreifend und macht das heikle Thema salonfähig. Während des Stücks ist gut zu beobachten, wie die Zuschauer einander zunicken und sich wohl an eigenes Erleben erinnert fühlen.
In der Inszenierung von Pascal Ulli, der das Stück des Autors Andrew Goffman vom Off-Broadway ins Deutsche übersetzte, wird aus „The Accidental Pervert“ (Originaltitel) der pornosüchtige Michael aus Stuttgart – samt schwäbischer Note. Die Themen Sex und Pornografie bekommen in dem Stück auch eine tiefgründige Dimension, als es um Familienplanung, das Kinderkriegen und um die eigene Rolle als Vater geht.
Selbstironischer Blick auf Männerfantasien
„Pornosüchtig“ im Theaterhaus ist schon im Hinblick auf den Titel wohl nicht für jeden etwas. Dennoch weist das Stück einen Weg, der bisher selten begangen wurde, und beschreibt humorvoll eine Lebenssituation, mit der sich viele identifizieren können – auch wenn sie diese normalerweise verborgen halten. Die Inszenierung schafft einen selbstironischen Blick in die Tiefen sexueller Männerfantasien. Regisseur Ulli und Darsteller Rosenberger gelingt es meisterhaft, das Publikum zum Lachen zu bringen und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen – ein Balanceakt, der „Pornosüchtig“ zu einem außergewöhnlichen Theatererlebnis macht.
„Pornosüchtig“ ist bis zum 12. Juli im Theaterhaus Stuttgart zu sehen. Weitere Termine im Dezember werden noch bekannt gegeben.