Eine Frau benutzt ein Papiertaschentuch in unmittelbarer Nähe von «Kätzchen» des gemeinen Hasels (Corylus avellana) Foto: dpa

Während die einen wie einst der Dichter Eduard Mörike das romantische blaue Band durch die Lüfte flattern sehen, quälen sich die anderen mit den Pollen im Wind: Das Frühjahr ist auch Heuschnupfenzeit.

Stuttgart - Endlich Frühjahr! Auch Nadja würde sich darüber freuen, dass es wieder warm wird und die Natur erblüht. Gäbe es da nicht ihre Heuschnupfen-Allergie. „Gerade sind die Probleme mit den Winterinfekten weg – schon geht es weiter“, ärgert sich die Stuttgarter Studentin. „Mit der Sonne und dem frischen Grün beginnt meine Nase zu triefen, die Haut juckt, die Augen tränen und schwellen zu – dieses Jahr ist es schon jetzt wieder extrem.“

Sie ist nicht allein. Laut dem Deutschen Allergiker- und Asthmabund leiden etwa 16 Prozent der Bevölkerung, also über zwölf Millionen Menschen in der Republik, unter Heuschnupfen. Schuld daran sind die Pollen, der Blütenstaub, den Bäume, Sträucher, Gräser, Getreide und Kräuter in die Umgebung abgeben. Sobald dieser mit den Schleimhäuten in Berührung kommt, gehen die Symptome los, sie reichen von leichtem Niesen über Fließschnupfen bis hin zu Asthma bronchiale.

„Die Allergie ist schlimmer in Zeiten wie jetzt mit einem zunächst kalten Frühjahr, in dem die Temperaturen dann abrupt ansteigen“, bestätigt Maria Knipping, Pollenanalytikerin an der Universität Stuttgart-Hohenheim. „Dann werden viele Pollen auf einmal freigesetzt, die Konzentration steigt dann sehr schnell an.“ Manches sei schon im Dezember, Januar, dann verstärkt im Februar und März durch die Luft geflogen, etwa Hasel oder Erle. „Und nun ist massiv die Birke hinzugekommen – die ist für manche hochallergen“, so Knipping.

Pflanzen denken mit

Wann Pflanzen ihre Pollen losließen, hänge zudem vom Standort ab: Sind sie in sonnigen Lagen verwurzelt, geht es früher los, in Nordostexpositionen etwa drei Wochen später. Allergien habe es sehr wahrscheinlich schon früher gegeben. „Aber weil künstliche andere Stoffe hinzugekommen sind, treten sie wohl heute verstärkt auf“, so Knipping. Studien zeigten, dass Bauernhofkinder weniger Allergien hätten, dafür Kaiserschnittkinder mehr. Knipping: „Wir müssen unser Immunsystem trainieren – das geschieht beispielsweise bei Kindern, die auf dem Bauernhof aufwachsen, oder bei der Geburt, wenn die Babys mit den Bakterien der Mutter in Berührung kommen.“

Warum die Pollenkonzentration abhängig ist von Temperatur, Witterung, Standort und Windverhältnissen, beschreibt Karl-Christian Bergmann, Leiter der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst und des Allergie-Centrums des Berliner Charité Klinikums. „Die Pflanzen denken mit. Wenn es regnet und zu kalt ist, ist es für sie sinnlos, ihre Pollen freizusetzen: Sie würden es nicht bis zur weiblichen Blüte schaffen. Also warten sie auf genug Sonne – und dann geht es auf einmal los.“

Tabletten statt Spritzen

Der Dermatologie-Professor betont, dass die Betroffenen zwar jedes Jahr gerade in der Birkenblühzeit meinten, dass alles schlimmer werde. „Aber wir registrieren in der Tat mehr Symptome als 2016 und 2017.“ Ein Drittel bis zur Hälfte der Pollen, die nun unterwegs seien, stammen von Birken. Mit Hasel, Erle, Gräser, Roggen, Beifuß und Ambrosia lösen sie am stärksten allergische Reaktionen aus.

Bergmann empfiehlt Allergikern zunächst herauszufinden, worauf sie wirklich reagieren: „Auf der Homepage des Polleninformationsdiensts gibt es Pollenflugvorhersagen, ein Pollentagebuch und die App Husteblume. Damit kann man sehr gut Symptome dokumentieren und herausfinden, was reizt.“ Wichtig sei, schon vor dem jeweiligen Pollenflug die Antiallergiker-Medikamente zu Hause zu haben. Auch eine Immunisierung helfe. „Früher bedeutete das Spritzen, heute gibt es gute Tabletten“, so Bergmann.