Ordnungshüter im Rems-Murr-Kreis fühlen sich allerdings durch Richterin „lächerlich gemacht“.
Waiblingen - Moderne Zeiten: Seit jeher müssen sich Ordnungshüter, insbesondere wenn sie auf betrunkene Zeitgenossen treffen, als „Bulle“, „Kasper“ oder eben mit jenem Wort, das mit A beginnt, beleidigen lassen. Doch seit kurzem hat sich der Sprachschatz der sich von Wachtmeistern gegängelt fühlenden Bürger um eine Nuance erweitert: Nach einer frühmorgendlichen Rangelei vor gut einem Jahr auf dem Parkplatz eines Fellbacher Schnellrestaurants legten die Beamten einem der zwei alkoholisierten, renitenten jungen Männer Handschließen an. Das fand sein Kumpel überhaupt nicht in Ordnung, und er schleuderte den Beamten darauf ein „Fisch“ entgegen.
Der Fall landete kürzlich vor dem Waiblinger Amtsgericht. Dabei ging es zum einen um den aggressiven Widerstand des einen Angeklagten. Zum anderen jedoch auch um die Verbalinjurie seines Freundes gegenüber den Kontrolleuren. Die Beamten hätten „meinem Kumpel wehgetan“, erklärte er Richterin Christel Dotzauer, das sei „nicht okay“ gewesen. Die Richterin brummte seinem Kumpel, einem Studenten, wegen Widerstands gegen einen Vollstreckungsbeamten zehn Stunden gemeinnützige Arbeit auf. Für den Freund gab es eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 Euro, in der Summe also 300 Euro. „Es ist klar, dass Sie den Beamten mit Ihrer ‚Fisch‘-Bezeichnung nicht loben wollten“, erklärte sie dem jungen Mann.
Dotzauer ist eine erfahrene Amtsrichterin, deren resolute Zeugenbefragung bekannt ist. Sie hat die Verhandlungen gegen Angeklagte im Zusammenhang mit der sogenannten Rems-Murr-Müllaffäre ebenso souverän gemeistert wie etliche kuriose Fälle aus dem Remstal: Mal ging es um eine Ohrfeige, die ein bei der morgendlichen Dusche gestörter Landwirt einem Schornsteinfeger verabreichte. Folge: 1200 Euro Geldbuße. Mal gab es eine Bewährungsstrafe für einen Handelsreisenden, der in einer Gaststätte in Korb für 1000 Euro ein Wunderelixier, Titel „OPC plus – der Jungbrunnen“, verkauft hatte.
Ein Fisch ist laut Pons-Lexikon ein Trottel
Ihre Kommentare in der „Fisch“-Verhandlung allerdings empfinden viele Polizeibeamte, trotz der Geldstrafe, als unangemessen. „Fisch ist ein schweres Schimpfwort“, erklärte einer der Polizisten im Zeugenstand. Dotzauer reagierte äußerst distanziert: „Wenn er Sie Esel, Schwein oder Bulle genannt hätte, könnte ich das verstehen – aber Fisch?“ Sie jedenfalls, so wiederholte sie später im Prozess nochmals, würde sich durch „Fisch“ nicht beleidigt fühlen, diese Bezeichnung sei „nicht wirklich schlimm“.
Uwe Bieler, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Rems-Murr-Kreis und zudem Personalratsvorsitzender der Waiblinger Direktion, reagiert verärgert. Er rügt die mangelhafte Vorbereitung Dotzauers. Wenn diese „keine Lust hat, ihren Beruf als Amtsrichterin auszuüben, dann soll sie es einfach bleiben lassen und Fischfachverkäuferin werden“. Wenn sie in ihrer Verhandlungsführung die Polizeibeamten „aber auch noch versucht lächerlich zu machen, dann ist das einer Repräsentantin eines Staates, der die Würde des Menschen über alles stellt, nicht würdig, der Justiz nicht angemessen und menschlich einfach beschämend“.
Mit dieser Schelte steht Bieler offenbar keineswegs alleine da. Tatsächlich hat sich mittlerweile auch der Leitende Kriminaldirektor Ralf Michelfelder, Chef der Waiblinger Polizeidirektion, per Brief ans Amtsgericht gewandt, wie er am Montagnachmittag bestätigte. Ihm gehe es um den grundsätzlichen Respekt, den Polizeibeamte – nicht als Privatmenschen, sondern als Vertreter des Rechtsstaats – verdienten. Außerdem verweist er auf eine kürzlich von einer Berufsschullehrerin aus Markgröningen erhobene Befragung in der eigenen Klasse, wonach das Schimpfwort „Fisch“ in einer Skala von eins bis zehn (Höchstwert gilt als beleidigend, unverschämt) zumindest Polizisten gegenüber zwischen sieben und zehn anzusiedeln sei.
Tatsächlich weist ein Blick ins neueste, für 3,99 Euro zu erhaltende Pons-Lexikon zur Jugendsprache 2012 bei „Fisch“ die Eintragung „Trottel, Idiot“ auf. Dass diese tierische Beleidigung mittlerweile auch beim Stuttgarter Innenministerium angelangt sei, wie es aus Polizeikreisen heißt, wollte dessen Sprecher Andreas Schanz allerdings nicht bestätigen. Es handle sich um ein Thema zwischen Amtsgericht und Polizei in Waiblingen, „wir halten uns da raus“. Richterin Dotzauer gab sich am Montag übrigens zurückhaltend zu den Vorwürfe aus Polizeikreisen, „ich möchte dazu nichts sagen“.