Ein Teleskopschlagstock der Polizei – am Sonntag geriet er in falsche Hände. Foto: Symbolbild/dpa

Mit einem Schlagstock hat ein Mann einen Polizisten übel zugerichtet. Der Beamte hatte sich in der Innenstadt in einen versuchten Raub eingeschaltet. Die Stadt reagiert mit einem Runden Tisch.

Stuttgart - Der 46-jährige Polizist ist auf dem Weg der Besserung. Zumindest hat er am Montag das Krankenhaus verlassen dürfen.Nach den zehn bis 20 Schlägen, die er mit einem Schlagstock einstecken musste, fast schon ein Wunder. Kopfplatzwunden, Hämatome, Prellungen am ganzen Körper. Ein 26 Jahre alter Slowake hatte ihm bei einer Auseinandersetzung auf dem Wilhelmsplatz in der Innenstadt die dienstliche Waffe entrissen und dann zugeschlagen. Am Montag erließ ein Richter Haftbefehl wegen eines versuchten Tötungsdelikts.

Der Zwischenfall ist trauriger Höhepunkt einer Serie von Gewaltstraftaten in der City. „Am Wochenende ersäuft die Stuttgarter Innenstadt in Alkohol und Gewalt“, hatte es der katholische Stadtdekan Christian Hermes bei der Podiumsdiskussion „Mittendrin“ der Stuttgarter Nachrichten formuliert. Bei dieser Veranstaltung Anfang September hatte er ein breites Bündnis für mehr Sicherheit gefordert – und wird erhört.

Runder Tisch: Bestandsaufnahme der Sicherheitslage aus verschiedenen Blickwinkeln

Voraussichtlich am Montag, 1. Oktober, soll es einen Runden Tisch mit Vertretern von Polizei, Stadtverwaltung, Gastronomie, Anwohnern, Kirchen geben. Eingeladen hat Ordnungsbürgermeister Martin Schairer, der eine Bestandsaufnahme der Sicherheitslage aus verschiedenen Blickwinkeln haben will. Immerhin ist die Innenstadt bei der Kriminalität statistisch sechsmal stärker belastet als Bad Cannstatt – obwohl es dort zahlreiche Großveranstaltungen gibt.

Der Angriff auf den Polizeibeamten, der am Sonntag um 3.20 Uhr als Angehöriger der Dienststelle Prostitution mit einem Streifenpartner in Zivil unterwegs war, zeigt: Es ist höchste Zeit.

Nach den bisherigen Ermittlungen hatten die beiden Beamten einen vermeintlichen Streit beobachtet, der zwischen zwei Männern ausgebrochen war. Wie sich nunmehr herausstellte, hatte der 26-jährige Slowake zusammen mit einem gleichaltrigen Deutschen einen 25-jährigen Passanten zu berauben versucht. Das Opfer ließ sich das aber nicht gefallen und setzte sich gegen den Deutschen zur Wehr. In diese Auseinandersetzung schalteten sich der 46-jährige Polizist und sein Streifenpartner ein. Allerdings konnten sie die Lage auch mit Pfefferspray nicht unter Kontrolle bringen. Das Reizgas zeigte bei den Betroffenen keine Wirkung. 

Der Slowake ist für die Polizei kein unbeschriebenes Blatt

Als die Beamten ihre dienstlichen Teleskop-Schlagstöcke zückten, eskalierte die Situation. Der 26-jährige Slowake griff den 46-Jährigen an, beide stürzten zu Boden. Im Gerangel eroberte der Angreifer den Schlagstock – und prügelte auf den Beamten ein. Die beiden Räuber flüchteten, konnten bei der Fahndung aber wenig später dingfest gemacht werden.

Der Slowake ist für die Polizei kein unbeschriebenes Blatt. Der Mann, der in Stuttgart wohnhaft ist, soll angeblich Drogen konsumieren. Seit etwa sechs Jahren ist er vorbestraft, allerdings wegen Delikten wie Diebstahl, versuchter Betrug, Sachbeschädigung. Dabei wurden gegen ihn Geldstrafen verhängt, in einem Fall auch eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Am Montagnachmittag ging es vor dem Haftrichter um einen ungleich schwereren Vorwurf: versuchtes Tötungsdelikt.

Dass Polizisten immer öfter selbst zur Zielscheibe von Gewalttätern werden, gehört inzwischen zum traurigen Alltag. In Stuttgart wurden im vergangenen Jahr 525 Straftaten registriert, bei denen der Polizei Widerstand entgegenschlug. Zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Bei den Delikten spielt Alkohol eine große Rolle. So hatten fast 60 Prozent der Tatverdächtigen zu viel Promille im Blut. Zum Vergleich: Bei Straftaten allgemein waren die Täter nur in knapp 18 Prozent der Fälle alkoholisiert 

„Und plötzlich stehen die Beamten mehreren Gegnern gegenüber“

„Was wir immer häufiger erleben, ist die Solidarisierung der Umstehenden mit den Tatverdächtigen“, sagt Norbert Walz, stellvertretender Polizeipräsident, „und plötzlich stehen die Beamten mehreren Gegnern gegenüber.“ Müssen die Polizisten beim Dienst auf der Straße also aufrüsten? Zumindest nicht bei der Ausstattung, sagt Walz. Schutzwesten und Amokschutz-Ausstattung in den Dienstfahrzeugen – da könne man zufrieden sein. Intern wird auf die zunehmenden Angriffe mit einem angepassten Einsatztraining reagiert. Allerdings gehe es nicht nur um körperliche Attacken: „Die Beamten müssen auch zunehmend Beleidigungen und Pöbeleien aushalten“, sagt Walz. Hierfür gebe es für Dienstgruppen das Angebot von Konfliktberatern und Seelsorgern, mit Treffs in externen Einrichtungen.

Freilich: Der Zwischenfall am Wilhelmsplatz hätte auch ganz anders ausgehen können. Schläge gegen den Kopf können lebensbedrohlich sein – „und da kann auch mal die Situation entstehen, bei der ein Beamter die Dienstpistole ziehen muss, um sich oder andere Kollegen zu schützen“, so Walz. Am Sonntagmorgen ließen die Beamten ihre Schusswaffen stecken. Die Gründe sind noch unbekannt. Offenbar war’s besser so. Kaum auszudenken, wäre die Dienstpistole in fremde Hände geraten.