Wollten die sächsischen Polizisten Journalisten schikanieren? Und ist es akzeptabel, dass LKA-Mitarbeiter auf Pegida-Demonstrationen gehen? Die Debatte über den vielkritisierten Polizeieinsatz in Dresden geht weiter. Auch die Bundesregierung bezieht Stellung.
Dresden - Nach der umstrittenen Polizeikontrolle eines ZDF-Teams in Dresden und der Beteiligung eines Polizeimitarbeiters an der dortigen Anti-Merkel-Demo erreicht der Streit nun auch die Landesregierung. Sachsens SPD-Chef und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig bescheinigte seinem Koalitionspartner CDU indirekt eine Mitverantwortung. Jahrelang habe es eine Verharmlosung rechter Tendenzen in Sachsen gegeben. Nun werde man konfrontiert mit den Auswirkungen „auch der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Bis 2004 hatte die CDU den Freistaat allein regiert.
Bei Protesten gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 16. August hatte sich ein Demonstrant gegen ZDF-Filmaufnahmen gewehrt und den Journalisten vorgeworfen, damit eine Straftat zu begehen. Inzwischen kam heraus, dass der Mann im Landeskriminalamt Sachsen arbeitet. Nach Medienberichten ist er Buchprüfer im Dezernat für Wirtschaftskriminalität. Medienberichte, wonach der Mann an sensible Daten herankommt, bestätigte das LKA auf Anfrage nicht.
Grüne fordern bessere Ausbildung der Polizei im Umgang mit Journalisten.
In Berlin sagte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, die Behörden in Sachsen sollten zügig Klarheit schaffen und mögliche Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen. Sie sprach von einem „Signal für das Land“. Weiter sagte sie: „Wir dürfen nicht wegschauen, wenn sich Mitarbeiter der Landes- und Sicherheitsbehörden von den Grundrechten unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft abwenden.“
Nach Ansicht von Dulig muss der Vorfall für den LKA-Mitarbeiter Folgen haben. „So wie die Dinge sich darstellen, kann es nicht ohne Konsequenzen bleiben“, sagte er. Mit Blick auf das Agieren der Polizei fügte er hinzu, in Einsatzbefehlen sollte der klare Hinweis enthalten sein, dass die Arbeit von Journalisten zu unterstützen ist. So sei es auch in anderen Bundesländern üblich. Zugleich warnte Dulig vor Pauschalurteilen über Sachsen. „Wir dürfen nicht das ganze Land in Geiselhaft von Rechten nehmen, das wird der Vielfalt und den Menschen hier nicht gerecht.“
Die Grünen verlangten am Freitag eine bessere Aus- und Fortbildung der Polizei im Umgang mit Journalisten. Dazu wollen sie einen Antrag in den Landtag einbringen. „Alle Grund- und Menschenrechte, zu denen die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung zählen, müssen der Polizei als Inhaberin des Gewaltmonopols in Fleisch und Blut übergehen“, sagte Innenpolitiker Valentin Lippmann. Kenntnisse darüber dürfen nicht länger nur ein Bruchteil der Ausbildung sein. „Sie müssen, wie das Schießtraining, durch regelmäßige Fortbildung, Schulung und Information eingeübt und gefestigt werden“.
Polizisten sind angehalten Journalisten bei ihrer Arbeit zu unterstützen
Unter Juristen ist unterdessen umstritten, ob die Kontrolle der Journalisten zulässig war. „Ich sehe in dem Verhalten der Polizisten keinen offensichtlichen Rechtsverstoß. Das Vorgehen war aus meiner Sicht im Rahmen des Zulässigen“, sagte Rafael Behr, Professor an der Hamburger Akademie der Polizei. „Wenn eine Strafanzeige vorliegt, müssen Polizisten die Identität der Beteiligten feststellen.“ Es stelle sich aber die Frage, ob das Vorgehen der Polizei verhältnismäßig war und ob die Beamten deeskalierend handelten. Insgesamt könne er keinen Rechtsverstoß erkennen.
Ganz anders sieht das Ernst Fricke aus Landshuts, der als Professor an der Katholischen Universität Eichstätt Medienrecht lehrt. Grundsätzlich sei die Polizei dazu angehalten, Journalisten bei ihrer Arbeit zu unterstützen, sagt er der dpa in Dresden. Das geht etwa aus einer Vereinbarung der Innenministerkonferenz mit dem Presserat hervor. Darin heißt es: „Die Polizei unterstützt bei ihren Einsätzen, auch bei Geiselnahmen und Demonstrationen, die Medien bei ihrer Informationsgewinnung.“ Das sei in Dresden nicht geschehen. Die Polizei habe im Gegenteil die Journalisten 45 Minuten an ihrer Arbeit behindert.
Der SPD-Politiker Albrecht Pallas möchte die betroffenen ZDF-Journalisten im Innenausschuss des Landtages anhören, damit die Parlamentarier sich ein komplettes Bild machen können. Weiter sagte der gelernte Polizist, man müsse der Tatsache ins Auge blicken, dass es „eine neue Strategie der Rechten ist, durch gezielte Anzeigen bei Versammlungen Journalisten und Polizisten zu binden und dadurch das Geschehen zu verkomplizieren“.