Bei der Polizei in Untertürkheim sollen nachts die Lichter ausgehen. Foto: Frank Eppler

Der Dienststellen-Schrumpfkurs bei der Stuttgarter Polizei geht weiter. Posten sollen geschlossen werden, mancherorts gehen nachts die Lichter aus. Die Polizei sagt: Der Sicherheit schadet das nicht.

Stuttgart - Ein elfjähriges Mädchen ist vergangene Woche in einem Linienbus von einem Exhibitionisten belästigt worden, ein paar Tage vorher wurden zwei Wohnungen von Einbrechern heimgesucht. Ansonsten gilt der Stadtbezirk Untertürkheim aber eher als ruhiges Pflaster – und für die Stuttgarter Polizei mehr denn je als Außenposten. Als sichtbares Zeichen sollen in der Dienststelle nach 20 Uhr die Lichter ausgehen. Polizeipräsident Franz Lutz höchstselbst will am Dienstagabend dem Bezirksbeirat seine Pläne vorstellen.

Die Ära der sogenannten Revierstationen, 2009 als politischer Kompromiss gegen eine allzu heftige Schrumpfkur von Revieren und Polizeiposten eingerichtet, soll bald der Vergangenheit angehören. Betroffen sind auch Degerloch, die Böheimstraße im Stuttgarter Süden – und womöglich auch der Posten in der Klett-Passage.

Schon seit Wochen ist der Polizeipräsident auf Tour, um den Außenbezirken zu erläutern, dass sich die Polizei zwar nicht personell, aber doch mit ihren Dienststellen aus der Fläche zurückziehen will. Den Hedelfingern hat er erklärt, dass der Posten geschlossen wird und die zwei Beamten nach Untertürkheim umziehen sollen. Gleiches hat er den Obertürkheimern angekündigt. „Nachts habe ich lieber zwei Mann auf Streife, als einen Mann auf einem nicht frequentierten Posten“, lautet seine Formel.

Seit Jahren steht Untertürkheim im Visier

Dass aber auch die Untertürkheimer Dienststelle nachts die Rollläden runterlässt, das wird er am Dienstagabend dem Bezirksbeirat mitteilen. Eine schwierige Mission – denn bei der Revierreform 2009 hatte sich Untertürkheim als gallisches Dorf erwiesen. Der Plan des damaligen Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf, die Neckarvororte auszudünnen und dem Revier Ostend-straße zuzuschlagen, hatte für Unmut bis in die Rathausspitze gesorgt.

Hintergrund war der Sparkurs der schwarz-gelben Landesregierung. 2009 und 2010 wurden allein bei der Stuttgarter Polizei 280 Stellen gestrichen. Um das aufzufangen, setzte Stumpf bei kleinen Dienststellen den Rotstift an. Am Ende blieben von 15 Revieren nur noch acht übrig. Um die Stadt unter dem damaligen OB Wolfgang Schuster auf seine Seite zu ziehen, machte der Präsident aus drei Revieren, die eigentlich Posten werden sollten, sogenannte Revierstationen. Die sollten – im Gegensatz zu einem Posten – auch nachts für Bürger Anlaufstelle sein, außerdem das Domizil für Beamte des Bezirksdiensts und 24-Stunden-Streifendiensts. Untertürkheim wurde so der Schmerz des Revier-Verlusts erträglicher gemacht. Ebenso den Degerlochern.

Dauerhaft Nachtruhe auch im Posten Klett-Passage?

Doch jetzt sollen die Lichter nachts doch ausgehen. „Man wird wohl argumentieren, dass in Untertürkheim das Personal aufgestockt und ins Gebäude baulich investiert wird“, sagt Untertürkheims Bezirksvorsteherin Dagmar Wenzel, „und dass in Wirklichkeit auch bisher schon nachts alles über das Revier Ostendstraße abgewickelt wurde.“ Und dass zu diesen Zeiten ohnehin selten ein Bürger vorbeigekommen sei.

Früher sah die Polizei in einer Rund-um-die-Uhr-Besetzung „eine bürgerorientierte, subjektive Wertkomponente“. Die Ansichten ändern sich. Darum dürfte Polizeipräsident Lutz auch dem Posten Klett-Passage künftig dauerhaft Nachtruhe verordnen.