Zum 1. Januar werden die vier Landespolizeidirektionen Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen mit den 37 Polizeipräsidien und – direktionen zu landesweit zwölf Polizeipräsidien verschmolzen. Foto: dpa

Die Klage eines Gewerkschaftschefs gegen die Auswahl der Polizeichefs stößt beim anderen Gewerkschaftschef auf Unverständnis.  

Neuer Ärger um die Polizeireform: Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lautensack, klagt gegen das Verfahren zur Auswahl der Polizeipräsidenten. Unklarheit herrscht über seine Motive. Handelt er aus persönlicher Betroffenheit?

Stuttgart - So umstritten die Polizeireform war und ist – sie steht: Zum 1. Januar werden die vier Landespolizeidirektionen Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen mit den 37 Polizeipräsidien und – direktionen zu landesweit zwölf Polizeipräsidien verschmolzen. Die Ernennung der zwölf Polizeipräsidenten erfolgte im Sommer durch den Ministerpräsidenten. Damit war die Reform eigentlich unter Dach und Fach. Gleichwohl wächst an der Polizeibasis Unmut über die Umsetzung der Mammutreform.

Nun gerät auch die Ernennung der Polizeipräsidenten und ihrer Stellvertreter in die Diskussion – ausgelöst durch Joachim Lautensack, Landeschef bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG). Der 58-Jährige stellte beim Verwaltungsgericht Karlsruhe einen Antrag auf einstweilige Verfügung. Lautensack stört sich an der Vergabepraxis. Schon vor Wochen hatte er geäußert, es liege der Verdacht nahe, dass es bei der Stellenbesetzung nicht nach der üblichen Bestenauslese gegangen sei, sondern um die Belohnung einzelner Beamten. In der Tat wählte Innenminister Reinhold Gall (SPD) für die Führungsposten etliche Polizisten aus, die an der Erstellung der Reform mitgewirkt hatten.

Nach Recherchen der Stuttgarter Nachrichten hatte sich Lautensack Hoffnungen auf eine Führungsaufgabe gemacht. In Karlsruhe und Mannheim soll er sich für die Chefposten beworben haben, war aber nicht zum Zug gekommen. Erklärt sich die Klage vor dem Verwaltungsgericht also aus persönlicher Betroffenheit? Lautensack, der im regulären Dienst Chef der Wasserschutzpolizei des Landes ist, für seine Funktion als Vorsitzender des Hauptpersonalrats aber freigestellt ist, lehnte mit Hinweis auf die Klage am Donnerstag eine Stellungnahme ab. Aus seinem Umfeld hieß es, er habe die Klage beim Verwaltungsgericht schon vor Wochen eingereicht – angeblich nicht aus persönlichen Gründen, sondern um das Verfahren des Innenministeriums rechtlich prüfen zu lassen.

Ausgewählte Polizisten „allesamt Kollegen, die sich durch hervorragende Leistungen hervorgetan haben

Von der Opposition im Landtag bekam Lautensack Lob. CDU-Polizeiexperte Thomas Blenke rügte die „undurchsichtigen Personalentscheidungen“ des Innenministeriums. Die CDU begrüße es, wenn durch das Gericht Klarheit geschaffen werde. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke stieß ins selbe Horn. Die FDP habe die kostspielige Polizeireform von Anfang an kritisiert: „Es wäre ein guter Tag in der Geschichte des Landes, wenn man auf diese Weise diesen Unfug aufhalten könnte.“

Weniger Verständnis zeigt die mit der Deutschen Polizeigewerkschaft konkurrierende Gewerkschaft der Polizei (GdP). Deren Landeschef Rüdiger Seidenspinner kann an der Vergabepraxis unter Grün-Rot „nichts Kritikwürdiges“ finden. Die ausgewählten Polizisten seien „allesamt Kollegen, die sich durch hervorragende Leistungen hervorgetan haben“, sagte Seidenspinner den StN. Zu mutmaßen, dass hier bestimmte Personen bevorzugt worden seien, „ist Käse“. Angesprochen auf die persönlichen Ambitionen Lautensacks sagte Seidenspinner mit Blick auf die Klage: „Ich frage mich, ob die Gründe nicht eher dort zu suchen sind.“ Fakt ist: Die Berufung zu einem der zwölf Präsidenten oder Stellvertreter hat auch finanzielle Vorteile; es winkt ein Gehaltssprung von A 16 (monatliches Grundgehalt zwischen 5000 und 6300 Euro) in die Besoldungsgruppe B 3 (Präsident/Grundgehalt 7200 Euro) beziehungsweise B 2 (Vize/Grundgehalt: 6800 Euro).

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe will den Vorgang laut „Südwest Presse“ mit Priorität behandeln. Der Grund: Zögert sich das Verfahren über die Jahreswende hinaus, treten die neuen Polizeichefs ihre Stellen nur kommissarisch an. „Die Reform selbst verzögert das nicht einmal im Ansatz“, sagt Seidenspinner. Das bestätigt auch das Innenministerium: Die Reform werde wie geplant am 1. Januar in Kraft treten.

Seidenspinner hat sich nach seinen Worten mit der Reform arrangiert. Durch die Mitwirkung an der Vorbereitung sei es gelungen, sie so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Im Ergebnis gebe es nur 35 Härtefälle – angesichts von 30 000 Beschäftigten sei dies wenig. Der Haken: Während die GdP an der Reformvorbereitung beteiligt war, ließ das Land die DpolG außen vor.