Im Westen was Neues: Die Wache des Reviers Gutenbergstraße funkt. Foto: Peter-Michael Petsch

Das neue Polizeirevier Gutenbergstraße im Westen ist größtes in Stuttgart – doch nur Nummer vier im Land.

Stuttgart - Die Struktur der Stuttgarter Polizei ist die Vorlage für die jüngste Polizeireform im Land. Dass in Stuttgart die Reviere immer weniger, dafür immer größer werden, lässt die Landkreise Ähnliches auf dem flachen Land befürchten – auch wenn Innenminister Gall dementiert.

3,1 Millionen Euro hat es gekostet, Stuttgarts größtes Polizeirevier. In der Gutenbergstraße 109 im Stuttgarter Westen, nur wenige Hundert Meter vom alten Standort entfernt, ist das einstige Gebäude des Finanzgerichts nun das neue Domizil für die 173 Stellen starke Polizeitruppe, zuständig für die Stadtbezirke West, Süd und Botnang. Eigentlich hätte das schon Ende 2009 der Fall sein sollen – doch Nachbarproteste und Lärmvorschriften hatten das Vorhaben immer wieder verzögert.

Einst mussten Beamte bei Besprechungen auf dem Flur stehen

Erst mit dem Bau eines Parkhauses auf einem abgewandten Grundstück sowie mit überdachten Stellplätzen im Hof konnte die Polizei Friede mit den Nachbarn schließen. Die hatten nächtliche Ruhestörungen befürchtet. „Dafür mussten wir zusätzlich 600.000 Euro investieren“, sagt Ilse Lange-Tiedje vom zuständigen Landesbetrieb Bau und Vermögen Baden-Württemberg. Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg.

„Nach 30 Jahren ist das ein großer Meilenstein“, sagt Revierleiter Bernhard Brenner. Vorbei die Zeiten im alten Gebäude, als bei Besprechungen des Streifendienstes eine Hälfte der Beamten im Flur stehen musste, weil der Raum viel zu klein war. Das Dachgeschoss wurde ausgebaut, damit die Beamten des Ermittlungsdienstes ausreichend Platz finden – der Rotstift war hierfür schon angesetzt, dann aber beiseite gelegt worden. Die Parkgarage hat Platz für 30 Autos – ein Luxus im parkplatzarmen Stuttgarter Westen, dessen Bewohner dafür mehr Stellflächen in der Gutenbergstraße vorfinden. Das alte Revier braucht sie nicht mehr.

Damit ist die Behörde in der Gutenbergstraße 109 das Musterbeispiel eines Großreviers, das aus den einstigen Revieren Gutenbergstraße und Böheimstraße fusioniert wurde. Der frühere Polizeipräsident Siegfried Stumpf hatte 2009 die 14 Stuttgarter Reviere zu acht zusammengefasst. Die anderen wurden geschlossen oder zu Posten abgestuft. Für Degerloch, Untertürkheim und Stuttgart-Süd gab es sogenannte Revierstationen, die nachts ebenfalls besetzt sind.

Größtes Revier im Land ist Freiburg Nord

Weniger ist mehr, lautete die Devise der Stuttgarter Strukturreform: Weniger Kleinreviere bringen mehr Streifen auf die Straße. Das Innenstadtrevier, vor Jahren größtes Revier im Land, rangiert nach der Revierreform in Stuttgart nur noch auf Platz fünf. Mit 150 bis 173 Stellen haben die Reviere im Westen, in Möhringen, Bad Cannstatt und im Osten das City-Revier längst überholt.

Dabei ist das Großrevier Gutenbergstraße nur die Nummer vier im Land. Das größte ist Freiburg Nord (190 Stellen) vor Freiburg Süd (188) und Esslingen (174). Reutlingen kommt mit 171 Stellen auf Rang fünf. Dass Stuttgart auf immer mehr 150-Mann-Reviere setzt, sorgt in eingeweihten Kreisen in den Landkreisen für Unruhe.

„Es gibt keinen Rückzug aus der Fläche“

Das wird vor dem Hintergrund der neuen Polizeireform des SPD-Innenministers Reinhold Gall deutlich. Bei dieser werden 37 Polizeidirektionen abgeschafft und zu zwölf großen Polizeipräsidien fusioniert. „Auf die Struktur der Reviere hat das aber keinen Einfluss, es gibt keinen Rückzug aus der Fläche“, hat Gall dabei stets betont. Doch ob das langfristig so bleibt, ist eher zweifelhaft.

Beim Polizeipräsidium Stuttgart, dessen Strukturen zu großen Teilen Vorbild für die Landesreform waren, wurde beispielsweise das Polizeirevier Weilimdorf aufgegeben – mit 42 Stellen nicht effizient genug, hieß es. Jetzt können sich die Reviere in Oberndorf (37 Stellen), Eberbach bei Heidelberg (36) oder Laupheim bei Ulm (40) überlegen, was das für sie bedeuten könnte. „Das kann man mit Stuttgart nicht vergleichen“, heißt es im Innenministerium. Genau: Die Weilimdorfer hatten keine so große Fläche zu betreuen.