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"Eine riskante Operation am offenen Herzen", nennt die Polizeigewerkschaft das Projekt.

Stuttgart - Im Streit um die geplante Polizeireform verschärfen Gewerkschaften und Kommunen ihre Gangart gegenüber der grün-roten Landesregierung. „Das ist eine hochriskante Operation am offenen Herzen eines gesunden Patienten“, kritisierte der Landeschef der Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lautensack, am Freitag bei einer Anhörung der Fraktionen von CDU und FDP in Stuttgart. Die Pläne von Innenminister Reinhold Gall (SPD) seien „überzogen, unnötig und überdimensioniert“.

Landkreise, Städte und Gemeinden warnten vor einem „Abzug aus der Fläche“. Landrat Achim Brötel hielt Grün-Rot vor, sie führe die Öffentlichkeit über die dramatischen Folgen der Reform für den ländlichen Raum in die Irre. Finanziell sei das Projekt ein „Blindflug“. Gall will die Führung der Polizei verschlanken und auf diese Weise etwa 860 Beamte mehr auf die Straßen bringen. Der SPD-Politiker hat immer wieder betont, an der Reform gehe kein Weg vorbei, da für mehr Personal kein Geld da sei.

Goll: "Das Tempo ist irritierend"

Kern der Reform ist die Verschmelzung der vier Landespolizeidirektionen mit den 37 Polizeipräsidien und -direktionen zu nur noch 12 regionalen Präsidien. CDU und FDP kritisierten, bei der Polizeireform sei von der „Politik des Gehörtwerdens“ der Regierung nichts zu spüren. „Stattdessen ist das Tempo irritierend“, monierte Ex-Justizminister Ulrich Goll (FDP).

Lautensack wies Galls Vorwurf zurück, die Kritiker der Reform seien „Kirchturmpolitiker“. „Das Wenigste, was man verlangen könnte, ist, dass er die Kirche im Dorf lässt.“ Der Gewerkschafter und die Kommunalvertreter widersprachen dem Innenminister, der behauptet hatte, die Reform sei von Polizeipraktikern ausgearbeitet worden. „Es ist keine Reform der Polizei durch die Polizei. Es gab einen politischen Projektauftrag“, sagte Lautensack. Die Leitplanken seien klipp und klar vorgegeben gewesen.

Brötel monierte, durch die Konzentration der Präsidien müsse etwa die Kriminalpolizei weitere Wege zurücklegen. Der Landrat aus dem Neckar-Odenwald-Kreis nannte als Beispiel das Präsidium Heilbronn, das künftig auch für das über 100 Kilometer entfernte Tauberbischofsheim zuständig sei. Brötel und Gläser erklärten, Galls Ankündigung, es gebe eine Streife mehr, sei irreführend. Für eine zusätzliche Streife wären im Schichtdienst zehn Beamte nötig. „Bei Kosten von 170 Millionen Euro muss mehr rüberkommen als zwei Stellen“, sagte Gläser. Gall hatte die Anschubfinanzierung bei der Reform auf 120 bis 170 Millionen Euro beziffert.