Streitbarer Wertebeauftragter: Jörg Krauss bei einer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zum Inspekteur der Polizei in diesem Januar Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Vor einem Jahr setzte Innenminister Thomas Strobl den ehemaligen Amtschef des Finanzministeriums als Wertebeauftragten für Polizei und Innenverwaltung ein. Jetzt hat Jörg Krauss seinen Bericht vorgelegt. Einen Brandbrief zur Lage in der Polizei, kommentiert Franz Feyder.

Ein wenig an der Struktur rumschrauben. Dann passt das schon. Irgendwie. Zumindest für Thomas Strobl. Der christdemokratische Innenminister hat den früheren Amtschef des Finanzministeriums, Jörg Krauss, aus dem Ruhestand geholt. Hat den Grünen, der den Schutzmann einmal von der Picke auf gelernt hat, durchs Land geschickt. Als Wertebeauftragter sollte erkunden, wie es um die Stimmung in der Polizei und Innenverwaltung bestellt ist.

Mit seinen vier Mitarbeitern hat Krauss exzellente Arbeit geleistet. Er hat neun Monate lang mehr als 2000 Polizisten und Verwaltern zugehört, hat, wie er sagt, „mitgefühlt und mitgelitten“. Hat von mangelndem Vertrauen und Rückendeckung gehört, von intransparenten Personalentscheidungen und Beurteilungen, von der Angst, in der täglichen Arbeit Fehler zu machen. Von zurückgedrängten handlungs- und Entscheidungsspielräumen, von einer geförderten Kultur der Angst. Krauss warnt, dass Hemmschwellen entstehen könnten, „in gefahrengeneigte Einsatzsituationen“ zu gehen.

Vieles von dem, was der frühere Ministerialdirektor auf 15 Seiten und in 24 Handlungsempfehlungen komprimiert, ist spätestens seit Dezember 2020 bekannt – auch im Innenministerium und dem die Polizei führenden Landespolizeipräsidium. Das hat neue Strukturen verpasst bekommen. Herbeigezwungen durch das mehr als fragwürdige Verhalten eines bei vollen Bezügen beurlaubten Inspekteurs der Polizei vor drei Jahren. Wo der Erfolg dieser neuen Struktur liegt? Strobl fällt da spontan nichts ein.

Es ist der Charakter eines sich als Brückenbauer verstehenden Jörg Krauss, dass sein Bericht nur zwischen den Zeilen seinen wahren Charakter offenbart: Es ist ein Brandbrief mit einer vernichtenden Bilanz für die oberste Polizeiführung des Landes. Beobachtern wie Polizisten fehlt der Glaube und das Vertrauen, dass der Krauss-Bericht daran etwas ändert.