Im Bierzelt wird ausgelassen auf den Bierbänken getanzt und gefeiert – doch Vorsicht: Langfinger greifen ungesehen zu. Foto: Max Kovalenko

23 Taschendiebstähle am Wochenende: Kein Zweifel, mehrere Gruppen von Taschendieben sind wieder in der Stadt. Angesichts der Menschenmassen in den nächsten Tagen sollte man auf seine Wertsachen gut aufpassen.

Stuttgart - Dunkle Daunenjacke, graue Jogginghose. Mehr ist nicht bekannt von dem Taschendieb, der am Wochenende in einer Disco in der Innenstadt das Handy einer Besucherin erbeutete. In einem anderen Fall soll es ein etwa 40-Jähriger gewesen sein, 1,70 Meter groß, dunkle Haare, dunkelblaue Jacke, südosteuropäischer Typ. Ein Opfer berichtete, von einem Nordafrikaner umarmt worden zu sein, als plötzlich das Mobiltelefon fehlte. Nicht gerade viel versprechende Täterbeschreibungen für die Polizei.

23 neue Fälle seit dem Wochenende – 13 in der Vergnügungsszene in der City, zehn im Bereich des Volksfests auf dem Cannstatter Wasen. „Das geht jetzt wieder massiv los mit den Taschendiebstählen“, sagt Peter Kollmannthaler von der Polizeieinheit Gewerbe/Umwelt/Zentrale Ermittlungen, die sich auf Taschendiebe und Trickbetrüger spezialisiert hat. Dabei ist es in diesem Jahr ohnehin so schlimm wie schon lange nicht mehr: Fast 1100 Fälle sind bereits registriert – das sind fast so viele wie im gesamten Jahr 2012.

Dabei hat das Cannstatter Volksfest gerade erst begonnen. Außerdem findet am 2. und 3. Oktober das zweitägige Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit statt. Für Kollmannthalers Spezialisten sind das weitere Großkampftage. Es ist kaum anzunehmen, dass ausgerechnet eine Großveranstaltung mit erwarteten 400 000 Besuchern in der Innenstadt keine Anziehungskraft auf Taschendiebe ausüben würde.

Gut 80 Mobiltelefone in Bierzelten auf Frühlingsfest verschwunden

Unliebsame Erfahrungen wurden beim Frühlingsfest gemacht: „Da gab es eine massive Steigerung auf etwa 120 Fälle“, so Kollmannthaler. In den Bierzelten verschwanden gut 80 Mobiltelefone, während die Opfer auf den Bänken tanzten. Deshalb waren Zivilbeamte am vergangenen Wochenende auf dem Wasengelände im Einsatz. Dass dabei kein Langfinger erwischt werden konnte, lag zum einen an den Menschenmassen, zum anderen auch daran, dass die Taten erheblich später angezeigt wurden. Den Opfern war zumeist auch der Tatort nicht bekannt – „irgendwo auf dem Wasengelände“, musste die Polizei protokollieren. Die Taschendieb-Spezialisten versuchen so zeitnah wie möglich von Anzeigen zu erfahren, um „gezielter ansetzen zu können“, so Kollmannthaler.

Immerhin konnten beim Frühlingsfest elf tatverdächtige Taschendiebe festgenommen werden. Die geklärten Fälle von damals zeigen, dass unterschiedliche Gruppen am Werk sind. Die einen reisen aus Osteuropa an, die anderen aus Nordafrika, wieder andere sind ortsansässige Täter. Wie etwa ein 19-Jähriger, der einer gleichaltrigen Festzeltbesucherin das Smartphone gestohlen hatte. Was er nicht beachtete: Die Telefone können übers Internet von den Besitzern geortet werden. Der Verdächtige wurde so in der Heilbronnner Straße im Norden der Stadt aufgespürt und von der Polizei festgenommen. „Viele haben ihre Ortung aber nicht aktiviert“, stellt Kollmannthaler fest, „und selbst einen Sperrcode haben viele gar nicht eingerichtet.“

Wertgegenstände besser in vorderen Hosentaschen, Jacken-Innentaschen oder Bauchtaschen aufbewahren

Freilich: Auch eine Ortung hilft nicht immer weiter. „In einem Fall wurde das Mobiltelefon in Marokko geortet“, sagt Kollmannthaler, „und in zwei Fällen in einer rumänischen Stadt an der Grenze zu Moldawien.“ Auch Personaldokumente sind offenbar gut zu gebrauchen: Auf dem Frühlingsfest gestohlene Papiere tauchten im Juli wieder auf – in den Händen eines wohl syrischen Paares, das mit den verfälschten Dokumenten aus Griechenland einzureisen versuchte.

Die Polizei rät dringend, Bargeld, Ausweise oder Handys möglichst nicht in Außentaschen, Handtaschen oder Rucksäcken aufzubewahren. Nicht nur Festzelte, sondern auch Discos sind beliebte Tummelplätze für Langfinger. Wenn junge Damen angetanzt und scheinbar belästigt werden – bis das Smartphone fehlt. Schlechter zugänglich sind für Diebe vordere Hosentaschen, Jacken-Innentaschen oder Bauchtaschen. Doch Kollmannthaler weiß auch: „Wer versteckt schon sein Handy, wenn ständig neue Textbotschaften erwartet werden.“ Wer aber angerempelt, abgelenkt oder beschmutzt wird, sollte sofort misstrauisch werden und prüfen, ob die Wertsachen noch vorhanden sind.

Immerhin eine gute Nachricht vom Wochenende gibt es noch: Ein Taschendiebstahl, der laut Anzeige mutmaßlich von einem Täter mit rot kariertem Hemd und Lederhose begangen worden war, konnte am nächsten Tag geklärt werden. Vom Opfer selbst. Der Betroffene stellte nämlich zu Hause fest, dass ihm der Geldbeutel ins Futter der Jackentasche gerutscht war.