Polizisten einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit bei einer Anti-Israel-Demonstration auf dem Stuttgarter Marienplatz. Foto: dpa/Andreas Rosar

Das Innenministerium sieht in einem Antidiskriminierungsgesetz einen „zusätzlichen Baustein“ im Kampf gegen Diskriminierung. So sollen etwa Vorwürfe gegen Bereitschaftspolizisten schneller aufgeklärt werden, sagt Innenminister Thomas Strobl (CDU) – doch das Gesetz betrifft nicht nur sie.

Stuttgart - Baden-Württembergs Bereitschaftspolizisten sollen künftig eindeutig identifizierbar sein, wenn sie bei Großlagen eingesetzt werden. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag hervor. So könne bei Anzeigen „eine unmittelbare personelle Zuordnung und eine beschleunigte Sachverhaltsaufklärung erfolgen“, begründete das Innenministerium den Schritt. Im Koalitionsvertrag hatten sich Grüne und CDU auf eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte geeinigt.

Bereits heute sind Bereitschaftspolizisten in Baden-Württemberg bis hin zur Gruppenebene, also auf maximal acht Frauen und Männer einschränkbar, durch ein Erkennungszeichen auf dem Rücken für jedermann zu identifizieren. Im Streifendienst tragen zahlreiche Polizisten Namensschilder auf ihrer Uniform. Um „das Vertrauen zwischen Bürgerschaft und Polizei weiter zu stärken“, wie es in der Antwort heißt, hätten sich die grün-schwarzen Koalitionsparteien jetzt auf die Kennzeichnungspflicht „ausschließlich für geschlossene Einheiten“ geeinigt.

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Bei den 58 060 Einsätzen des für die Bereitschaftspolizei zuständigen Polizeipräsidiums Einsatz in den vergangenen drei Jahren im gesamten Bundesgebiet ist kein Fall bekannt, bei die die Identität eines Polizisten selbst bei unübersichtlichen Einsätzen wie der Durchsuchung besetzter Häuser in Berlin oder der Räumung des Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen nicht festgestellt werden konnte.

Kritik von der FDP

Die innenpolitische Sprecherin der FDP, Julia Goll, kritisiert, dass die Entscheidung der Koalition „massive Enttäuschungen und Frust bei den Polizisten im Land schürt“. Alle drei Polizeigewerkschaften hatten nachdrücklich eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten als Misstrauen gegenüber den Polizisten kritisiert.

Wenn es um frühere Aussagen geht, wird Innenminister Thomas Strobl (CDU) schmallippig. Vor zehn Monaten bewertete sein Haus ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) „auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten die Signalwirkung eines solchen Gesetzes gegenüber denjenigen, die den Staat und die Bürgerinnen und Bürger schützen, kritisch“. Bestehende Gesetze böten „ausreichendes Instrumentarium“, um rassistisches oder diskriminierendes Verhalten von Polizisten zu ahnden. Heute vertritt er die gegenteilige Meinung. Warum, das mag Strobl nicht offenbart wissen. Dafür aber, dass sich Grüne und CDU verständigt hätten, „weiterhin entschieden gegen jegliche Diskriminierungen vorzugehen und ein eigenes baden-württembergisches LADG zu schaffen“.

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Das bis spätestens Februar 2026 zu verabschiedende Gesetz wird sich nicht nur auf die Polizisten des Landes konzentrieren. Es wird für alle Beamten sowie die Tarifangestellten aller Behörden des Landes gelten. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der FDP hervor. Beamte könnten bei einem Fehlverhalten mit einem Aktenvermerk bis hin zur Entlassung bestraft, bei Ruheständlern könnte die Pension gekürzt oder ganz aberkannt werden. Bei Zivilangestellten kämen alle arbeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht.

Polizeigewerkschaft: wie Prostituierte auf dem Straßenstrich

Dabei hat das zu verabschiedende LADG für das Ministerium allenfalls einen „ergänzenden“ Charakter. Denn die „Implementierung einer Bürgerbeauftragten hat sich bewährt und wird auch weiterhin zur Förderung eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Bürgerschaft und Polizei bzw. Verwaltung beitragen“. Strobl hatte gerade von den drei Polizeigewerkschaften massive Kritik dafür einstecken müssen, dass er sich in den Koalitionsverhandlungen den Forderungen der Grünen nach einem LADG beugte. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, hatte in der Verhandlungsstrategie der CDU um eine Regierungsbeteiligung gar „eine Art und Weise“ des Buhlens erkannt „wie Prostituierte auf dem Straßenstrich“.

„Die CDU hat Positionen, die sie seit Jahren vertrat, über Nacht über Bord geworfen, damit die Grünen mit ihnen koalieren. Damit verspielt die Union ihre Glaubwürdigkeit in der Inneren Sicherheit“, wirft FDP-Innenexpertin Julia Goll den Christdemokraten jetzt diplomatischer vor.

Gesetz betrifft Lehrerinnen, Sekretäre und Polizisten

Strobl will zudem ausschließlich Bereitschaftspolizisten individuell so kennzeichnen, dass ein mögliches Fehlverhalten der Beamten „beschleunigt“ aufgeklärt werden könne. Identifizierbar sind die Beamten bis zur Gruppenebene, also acht Polizisten, heute schon. „Bei fast zwei Millionen Einsätzen der Polizei im Jahr kommen wir auf eine verschwindend geringe Anzahl von Fällen, in denen die Identität eines Polizisten bei einem vorgeworfenen Fehlverhalten nicht festgestellt werden konnte“, sagt Goll. Die frühere Richterin warnt alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst: Ein LADG betreffe nicht nur Polizisten. „Müssen sich etwa Mitarbeiter der Ausländerbehörde künftig wegen Rassismus rechtfertigen, wenn sie die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ablehnen“, fragt die Liberale. Oder würden Lehrer beschuldigt aus rassistischen Gründen eine schlechte Note vergeben zu haben.