Diesen Augen entgeht keiner. Foto:  

Mit Fahndungsbildern im Kopf erkennen Super-Recogniser Verdächtige in der Stadt wieder. Einer von ihnen ist der 36-jährige Mirko Jovanovic, der noch nicht lange von dem Talent weiß. [Archiv]

Stuttgart - Am Donnerstag hat Mirko Jovanovic (Name geändert) eigentlich schon Feierabend. Doch dann wechselt er wieder zurück in den Dienstmodus: Er ist Polizist und fasst an diesem auf dem Heimweg noch einen gesuchten Straftäter. Denn der Typ mit dem Handy, den Kopfhörern und dem leeren Rucksack, der am Mittelbahnsteig der Stadtbahnhaltestelle Pragsattel steht und wartet, den hat er schon mal gesehen – vor etwa eineinhalb Jahren. Und da war was mit Eigentumsdelikten. Den Namen weiß er auch noch grob, ein Georgier war es. In der Bahn schielt Jovanovic auf das Handy des Mannes und sieht georgische Schriftzeichen. Ein paar Haltestellen weiter fasst die Polizei den Mann. Der Verdacht bestätigt sich: Der Georgier wird mit Haftbefehl gesucht.

Dieser Bestätigung hätte es fast nicht mehr bedurft. Denn Mirko Jovanovic kann sich auf seine scharfen Augen verlassen. Er ist einer der etwa 50 bis 70 Beamten der Stuttgarter Polizei, die die Gabe eines sogenannten Super-Recognisers haben: Sie erkennen Gesichter wieder, wenn sie entweder die Fahndungsfotos oder Phantombilder angeschaut haben oder schon einmal mit der Person zu tun hatten. „Ich weiß nicht, woher das kommt“, sagt Jovanovic. Die Polizei habe vor knapp zwei Jahren in allen Dienststellen dafür geworben, sich an einem Test zu beteiligen, um festzustellen, wer in die Kategorie der Super-Recogniser fällt. „Da hab ich dann mal mitgemacht“, sagt der 36-jährige Polizeiobermeister. Erst bekam er eine Reihe von Fotos zu sehen und musste die Gesichter dann unter mehreren finden. In der zweiten Stufe bekamen die Testteilnehmer Filme gezeigt und mussten eine Woche später prüfen lassen, ob sie Gesichter daraus erkennen würden. „Da kam raus, dass ich einer bin.“

Die Superaugen tun weiterhin Dienst am gewohnten Platz

Großes Aufheben sei darum nicht gemacht worden. Die Teilnehmer bekamen eine Urkunde und machten danach weiter normal Dienst in ihren Dienststellen. Bei Mirko Jovanovic ist das die Verkehrswegefahndung bei der Verkehrspolizei. „Das ist natürlich perfekt“, meint Jovanovic. Nicht nur, weil das für den vergleichsweise spät berufenen Polizisten – er begann die Ausbildung im Alter von 29 Jahren – ein „Traumjob mit vielen spannenden Fällen aller Art ist“. Sondern auch, weil die Verkehrswegefahnder vor allem eins sind: auf den Straßen der Stadt unterwegs, um verdächtige Fahrzeuge zu stoppen und Personen zu kontrollieren.

Bei der Berufswahl habe das Talent keine Rolle gespielt. „Da hat mich ein Fußballtrainer draufgebracht, der Polizist war. Er hat mich auch seinen Kollegen vorgestellt. Da war mir klar, das will ich machen“, so der 36-Jährige. Davor hatte er eine kaufmännische Lehre gemacht und im Handel sowie als Fußballer sein Geld verdient. Da er sein besonderes Talent damals noch nicht kannte – obwohl er beim Panini-Bilder-Sammeln immer genau wusste, welches Bild wohin gehört – habe es bei der Berufswahl keine Rolle gespielt. Natürlich sieht er auch viele Verdächtige in der Dienstzeit. „Man steht zum Beispiel am Fußgängerüberweg mit einem Kollegen im Streifenwagen und wartet, während die Leute über die Straße gehen. Dann seh ich plötzlich einen, der mit Haftbefehl ausgeschrieben ist“, sagt Jovanovic.

Das ist der Alltag. In besonderen Lagen werden die Super-Recogniser jedoch auch mal gezielt eingesetzt, so etwa im Fußballstadion. „Da sollen wir dann schauen, ob ein mit Stadionverbot belegter Störer dabei ist bei den Fans“, sagt Jovanovic. „Die kamen natürlich nicht. Aber wenn, dann hätten wir sie gefunden.“ Dafür kann man ja auch mal auf dem Heimweg vom Stadion einen Gesuchten erwischen. „Vor ein paar Wochen, da war ich mit meiner Mutter auf dem Weg vom Stadion nach Hause“, berichtet der Beamte. Da habe er auch einen Mann erkannt. So wie am Donnerstagabend, als er mit einem Kollegen den Mann in Zuffenhausen stellen konnte. Wieder hatte der Gesichtserkenner seine Adleraugen unter Beweis gestellt. Der Mann war ausgeschrieben. „3000 Euro oder 150 Tage Haft“ haben dem Mann geblüht, wegen Diebstahls. Wieder ein Volltreffer.

Dieser Text erschien erstmals am 07.02.2020.