Wenn es nach dem baden-württembergischen Innenminister Reinhold Gall geht, wird im Südwesten künftig weniger geblitzt. Foto: dpa

Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall hat die Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen infrage gestellt. Hintergrund: Gall will die Polizei von weniger wichtigen Aufgaben entlasten.

Stuttgart - Angesichts der Flüchtlingskrise will Innenminister Reinhold Gall die Polizei von weniger wichtigen Aufgaben entlasten. Der SPD-Politiker stellt dabei auch Geschwindigkeitskontrollen infrage. Er habe die Polizeiführung aufgefordert, Vorschläge auf den Tisch zu legen, sagte Gall am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Es gibt von mir ausdrücklich die Anweisung: Sie dürfen da sehr breit denken.“ Auf den Prüfstand kämen zum Beispiel die polizeiliche Begleitung von Schwertransporten und Tempokontrollen auf den Straßen. Ergebnisse der Prüfung will Gall in den nächsten Tagen vorlegen.

Zudem will Gall den Beamten die Überstunden primär auszahlen und weniger durch Freizeit ausgleichen lassen. Dafür und für allgemeine Kostensteigerungen bei der Polizei sollen 3,6 Millionen Euro im anstehenden Nachtragshaushalt der grün-roten Landesregierung eingestellt werden. Finanzminister Nils Schmid (SPD) habe bereits grünes Licht gegeben. Es sei ihm klar, dass er damit keine Jubelstürme bei der Polizei entfachen werde, räumte Gall ein. „Ein Großteil der Beamten will einen Freizeitausgleich haben. Aber wir müssen den Schwerpunkt auf die Bezahlung legen.“ Der Innenminister begründete dies mit der angespannten Personalsituation.

Die Gewerkschaften haben wiederholt eine massive Überbelastung der rund 24 500 Polizisten im Südwesten beklagt. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Rüdiger Seidenspinner, sagte den „Stuttgarter Nachrichten“: „Die Belastung unserer Leute ist im oberen Level angekommen.“ Viele Beamte würden von Dienst zu Dienst gejagt. Durch den Dauereinsatz und den anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen nach Baden-Württemberg hätten die Beamten in den vergangenen Wochen „Hunderte von Überstunden“ angesammelt.

In diesem Jahr sollen 800 Polizeianwärter eingestellt werden

Der stellvertretende GdP-Landeschef Wolfgang Kircher sagte zu Galls Vorschlägen: „Wenn der Minister Geld zur Verfügung stellt, um Überstunden zu bezahlen, halte ich das für in Ordnung.“ Die Kollegen wollten zwar lieber einen Freizeitausgleich. „Uns ist aber bewusst, dass das aufgrund der Belastung fast nicht machbar sein wird.“ Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lautensack, erinnerte daran, dass die Beamten trotzdem dringend freie Zeit bräuchten, um sich von ihrem anstrengenden Dienst zu erholen.

GdP-Landesvize Kircher, sagte, Geschwindigkeitskontrollen zu reduzieren, sei eine Möglichkeit. Aber es sei wichtiger, die Polizei von Arbeiten im Zusammenhang mit Flüchtlingen zu entlasten. Die Beamten übernähmen in den Einrichtungen Aufgaben, für die sie nicht primär zuständig seien - so die Registrierung von Flüchtlingen. „Das könnten auch Verwaltungsangestellte machen.“ Lautensack sieht das genauso. Für bedenklich hält der Gewerkschaftsmann allerdings Galls Überlegungen, Geschwindigkeitskontrollen zurückzufahren. Dann gebe es Abstriche in der Verkehrssicherheit, befürchtet Lautensack.

Gall bekräftigte, dass in diesem Jahr 800 und im nächsten Jahr 900 Polizeianwärter eingestellt werden sollen. In den Jahren 2017 und 2018 seien jeweils 1400 Neueinstellungen geplant, wobei geprüft werde, ob sich ein Teil der Neueinstellungen von 2017 auf 2016 vorziehen lasse.