Anwohner in einem Mehrfamilienhaus in Bietigheim leiden darunter, dass eine Wohnung im Haus mehrfach von Prostituierten angemietet worden ist. Foto: Werner Kuhnle

In einer Wohnung wenige Minuten entfernt von den Schulen im Ellental, kommt es immer wieder zu illegaler Prostitution. Die Anwohner fühlen sich allein gelassen. Die Polizei greift bereits ein, doch die rechtliche Lage erschwert eine langfristige Lösung.

Im Dezember seien in dem Mehrparteienhaus, in dem er lebt, fremde Männer im Halbstundentakt ein- und ausgegangen. Anfangs wären sie im Treppenhaus noch von Frauen in Reizwäsche empfangen worden, später hätten die Frauen nur noch einen Spalt breit die Wohnungstür geöffnet.

 

Yusuf Toprak, der eigentlich anders heißt, aber in der Zeitung anonym bleiben möchte, wohnt seit knapp zwei Jahren in einer Wohnung in der Hölderlinstraße. Eigentlich ist er zufrieden dort – doch die Lebensqualität ist in seinen Augen seit Dezember sichtlich eingeschränkt. In Bietigheim-Bissingen, nur wenige Minuten Fußweg von der Bahnstation Ellental entfernt, gehen Frauen der Prostitution nach – und das im Sperrgebiet. Eine nachhaltige Lösung zu finden, gestaltet sich für die Behörden schwierig.

Anwohner fühlen sich unsicher

„Im Dezember ist Tag und Nacht jemand reingelaufen, danach standen die Freier mit der Kippe vor unserem Balkon und haben rein geschaut“, berichtet Toprak. Irgendwann habe sich eine Whatsapp-Gruppe gegründet, in der sich die anderen Bewohner des Hauses gegenseitig von auffälligen Beobachtungen berichten. Die Bewohnerin, die direkt gegenüber von der Wohnung lebt, schreibt, sie habe, als das Ganze angefangen habe, ihre Wohnung im Dunkeln nicht mehr verlassen. „Teilweise konnte ich eine Zeit lang abends nicht allein sein und habe immer Freunde eingeladen.“ Vor allem in der dunklen Tiefgarage fühle sie sich unsicher.

Im Dezember 2024 trifft die Polizei erstmals zwei Frauen bei der Ausübung der verbotenen Prostitution an. Mitte März nehmen Beamte eine dritte Frau fest. Die Frauen aus dem asiatischen Raum sind zwischen 34 und 43 Jahren alt und haben die Wohnung über eine Internetplattform angemietet. Gegen sie läuft nun eine Strafanzeige wegen verbotener Prostitution im Sperrbezirk und illegalen Aufenthalts. Dass Wohnungen über Plattformen von Prostituierten angemietet werden, kommt laut der Polizei immer wieder vor – nicht nur in Bietigheim-Bissingen, sondern auch in anderen Kommunen im Landkreis. 

Stadt muss Vermieter nachweisen, dass er von Prostitution weiß

Die Stadt teilt mit, dass die Verfahren gegen Prostituierte schwierig seien, weil häufig weder die Personen noch deren Adressen bekannt seien. Bei den ermittelten Einzelfällen sei das geschehen, „da die Personen natürlich auch wechseln, bleibt es aber schwierig“, schreibt die Pressesprecherin der Stadt auf Anfrage. Gegen den Vermieter der Wohnung könne nur vorgegangen werden, wenn ihm nachgewiesen werden kann, dass er die Wohnung nicht als einfache Ferienwohnung, sondern zur Prostitution vermietet.

Über ein Inserat bei Airbnb erreicht unsere Zeitung das Unternehmen, das die Wohnung selbst mietet und über verschiedene Online-Plattformen anbietet. „Wir wollen das auch nicht, es ist mir genauso unangenehm“, sagt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte. Auch der Name des Unternehmens soll nicht genannt werden. Man distanziere sich von der Prostitution, storniere sofort, wenn etwas verdächtig erscheine, „aber die Buchungsplattformen sind unabhängig von uns und wenn wir nach den Kunden fragen, verweisen die auf den Datenschutz“, sagt er. Im Dezember habe er selbst die Polizei gerufen, von dem Vorfall Mitte März habe er nur von seiner Putzkraft erfahren.

Rechtslücke erschwert Maßnahmen gegen illegale Prostitution

Die Hausverwaltung hat darüber hinaus den Eigentümer der Wohnung kontaktiert. „Obwohl die Hausverwaltung den Eigentümer der betreffenden Wohnung unverzüglich dazu aufgefordert hat, die Prostitution zu beenden, hat sich keine Verbesserung der Situation ergeben“, gibt der Anwalt der Eigentümergemeinschaft, Frank Büchele, bekannt. Das Thema werde bei der anstehenden Eigentümerversammlung angesprochen. Für die betroffenen Wohnungseigentümer mangle es an einer Rechtsgrundlage, sagt Büchele.

In anderen Kommunen gebe es das Zweckentfremdungsverbot. In Stuttgart müssen sich Eigentümer bei der Stadt registrieren, bevor sie ihre Wohnung über Buchungsplattformen anbieten. Dieses Instrument fehlt in Bietigheim-Bissingen.

Yusuf Toprak, Bewohner des Hauses, hat in der Zwischenzeit wie viele andere Bewohner begonnen, sich nach einer neuen Wohnung umzuschauen. „Ich und meine Frau fühlen uns einfach unwohl.“

Prostitution

Sperrbezirk
Sperrbezirke sind Gebiete, in dem man nur eingeschränkt oder gar nicht der Prostitution nachgehen darf. Sie werden von der Stadt festgelegt und überwacht.

Bußgelder
Laut Berufsverband für sexuelle Dienstleistungen ist die Ausübung der Prostitution im Sperrbezirk eine Ordnungswidrigkeit. Die Bußgelder dafür bewegen sich zwischen 30 und 500 Euro.