Die Fußball-EM in Stuttgart verläuft für die Sicherheitskräfte bisher anders als erwartet. Ein Polizeibeamter, der regelmäßig im Einsatz ist, berichtet von farbenfrohen Kollegen, Einsätzen in der Hitze und einer traurigen Wendung.
Hochrisikospiele? War da was? Wieder einmal bestätigt sich in diesen Tagen, dass man Großereignisse zwar penibel planen kann, die Dinge dann aber oft doch völlig anders kommen. Bis zu 3100 Polizeibeamte waren abgestellt für die erste kritische Partie in Stuttgart zwischen Deutschland und Ungarn, etwas weniger dann für das Spiel Schottland gegen Ungarn. Hunderttausende Fans sind dabei unterwegs gewesen, darunter auch einige generell gewaltbereite. Und was passiert? Nichts. Dafür sorgt dann ein Streit mit Einsatz eines Messers auf dem Schlossplatz am späten Mittwochabend beim Spiel der Türkei für Unruhe.
Immer mittendrin seit dem ersten Anpfiff bei der Fußball-EM ist Michael Karolczak. Der 51-Jährige ist Mitarbeiter in der Führungsgruppe der Stuttgarter Einsatzhundertschaft. Die wird überall dort eingesetzt, wo es kritisch werden kann. Er und seine Polizeikollegen haben Fanmärsche begleitet und zeigen Präsenz zwischen Königstraße und Schlossplatz. „Man wusste ja am Anfang nicht so genau, wie viele Leute tatsächlich kommen. Deshalb war die Schlagzahl bei den Einsätzen sehr hoch“, sagt er. Es habe sich inzwischen aber gezeigt: „Die Fans sind super freundlich. Die sind hergekommen, um Fußball zu sehen.“
Da gehört gelegentlich mehr Tuchfühlung dazu, als so mancher Polizeibeamte gewohnt ist. In anderen Ländern sind Polizisten häufig auf der Straße Ansprechpartner für alle möglichen Fragen. „Gerade mit den Schotten haben wir viele angenehme Gespräche geführt. Da mussten sich manche Kolleginnen und Kollegen ein bisschen umstellen. Aber das hat gut geklappt“, erzählt Karolczak und schmunzelt.
Beim Besuch der Dänen war auch der erfahrene Beamte mittendrin. „Wir mussten die Fans vom Stadtgarten kommend in Empfang nehmen und in Richtung Stadtbahn leiten“, erzählt er. Da wurde es richtig eng – und danach hatten diverse Einsatzkräfte weiße und rote Farbspuren im Gesicht oder kamen grinsend mit roten Hüten zurück. Auch jede Menge gemeinsame Selfies sind entstanden – das berichtet auch die Feuerwehr. „Die Fans waren sehr zugänglich“, sagt Karolczak.
Anstrengend sind die Einsätze dennoch. Wer mit verschiedenen Westen plus Gürtel und Körperschutz ausgestattet ist, steht gerne mal mit 17,18 Kilo Ausrüstung am Körper in der Sonne. „Darunter wird’s richtig heiß. Der Wärmeaustausch liegt bei null“, sagt Karolczak. Das Durchschnittsalter bei der Einsatzhundertschaft liege deshalb bei etwa Mitte zwanzig. „Wir machen sehr viel Sport. Die Leute müssen eben dorthin, wo sie gebraucht werden.“
Die Diskussion um die Verpflegung der Polizistinnen und Polizisten kommentiert der erfahrene Beamte zurückhaltend. „Das Thema sorgt schon für Unruhe“, sagt er. Allerdings gebe es genug Getränke und auch ausreichend Toiletten. Und die Kolleginnen auf der Geschäftsstelle hätten eifrig damit begonnen, Apfelkuchen zu backen als willkommene Ergänzung des Speiseplans.
Auf das Großereignis hingefiebert
Insgesamt mache die EM bisher Spaß, betont Karolczak. „Ich war schon 2006 bei der WM im Einsatz und hatte gehofft, dass es ähnlich gut läuft wie damals.“ Viele Einsatzkräfte hätten trotz der anstrengenden Tage auf die EM hingefiebert, gerade nach der jahrelangen Planung. Der Chef habe für das Großereignis sogar seine Dienstzeit verlängert.
Getrübt ist die gute Stimmung seit vergangenem Montag aber dennoch. Der Unfall bei der Eskortierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, bei dem ein Kollege der Motorradstaffel ums Leben gekommen ist, hat nicht nur die Stuttgarter Polizei hart getroffen. „Ich habe Trauerflor für den getöteten Kollegen in Mannheim getragen. Den hatte ich grade abgenommen, aber jetzt muss er schon wieder dran“, so Karolczak. Man habe sich vom Sehen gekannt, bei Einsätzen getroffen. Immerhin: Die Polizeifamilie rücke durch die tragischen Ereignisse enger zusammen und drücke das auch nach außen aus.
Planungen ändern sich
Ob es in der zweiten Hälfte der EM so friedlich weitergeht wie bisher? Das vorherzusagen wagt wohl keiner. Dafür hat sich einmal mehr zu deutlich gezeigt, dass auch die beste Planung immer wieder angepasst werden muss.