Eine lange Menschenkette zog sich am Sonntag durch Herrenberg. Foto: Eddie Langner/Eddie Langner

Die AfD-Parteispitze um Alice Weidel reist am Sonntagnachmittag zu einer Kundgebung vor die Herrenberger Stadthalle an. Wenige Meter entfernt ruft ein breites Bündnis zu einer „Menschenkette für Demokratie und Solidarität“ auf.

Herrenberg - „Warum ausgerechnet Herrenberg?“ Diese Frage stellt sich Maya Wulz vom Aktionsbündnis „Herrenberg bleibt bunt“ schon lange. „Es ist uns schleierhaft, warum die AfD sich für ihre Kundgebungen ausgerechnet unsere Stadt aussucht“, wundert sich die Vorsitzende des Grünenortsverbands Herrenberg und Gäu. „Herrenberg ist eine extrem tolerante und bunte Gesellschaft. Wir sind keine braune Stadt“, betont Wulz, die zusammen mit der SPD-Stadträtin Petra Menzel im Orga-Team des Aktionsbündnisses aktiv ist.

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An diesem Sonntagnachmittag sorgt die Parteispitze mit einer Kundgebung für eine angeheizte Stimmung am nordöstlichen Rand von Herrenberg. In unmittelbarer Nähe dazu findet eine Gegendemo in Form einer Menschenkette statt. Auch die Antifaschistische Aktion Herrenberg hat eine Aktion angekündigt. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz, um die beiden Gruppen von einander zu trennen. Nachdem Alice Weidel schon im vergangenen September im Rahmen des Bundestagswahlkampfs den Herrenberger Marktplatz als Bühne genutzt hatte, schlägt diesmal mit Weidel und Tino Chrupalla die Doppelspitze der AfD-Bundestagsfraktion in der Gäustadt auf. Begleitet werden sie von Martin Hess, dem Innenpolitischen Sprecher der Partei und Markus Frohnmaier, dem AfD-Bundestagsabgeordneten des Landkreises Böblingen.

Weidel, Chrupalla und Co. reden Impfgegnern das Wort

Mehr als tausend Menschen sind nach Schätzungen (die Veranstalter hätten allein 750 Teilnahmebändchen ausgegeben, und auch danach sei der Andrang nicht abgebrochen) dem Aufruf gefolgt und hören sich an, wie Weidel, Chrupalla und Co. Impfgegnern das Wort reden und gegen die Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern wettern. Die Polizei registriert zahlreiche Verstöße gegen Maskenpflicht und Abstandsregel der AfD-Zuhörer (laut Polizeiangaben 250 Teilnehmer).

Beim Seeländerareal, nur wenige Meter entfernt von der AfD-Kundgebung, haben sich hunderte Menschen zur einer Gegenveranstaltung formiert. Das Motto lautet „Zusammenhalten in Pandemiezeiten – Menschenkette für Demokratie und Solidarität“. Die Menschen tragen Masken und sind mittels anderthalb Meter langen Abstandsbändern miteinander verbunden – ein Zeichen dafür, dass sie die Corona-Maßnahmen für richtig und sinnvoll erachten.

Breites Bündnis gegen Rechts

Ein breites Bündnis aus lokalen und regionalen Gruppen hatte zu der Aktion aufgerufen. Zu den Veranstaltern gehören „Herrenberg bleibt bunt“, SPD Herrenberg und Kreisverband Böblingen, Bündnis 90/Die Grünen Herrenberg und Grüne Jugend Kreis Böblingen, Stadträte der FDP, DGB, GEW, Verdi und IG Metall, der Türkische Arbeitnehmerverein (TAV), die evangelische Erwachsenenbildung, „Flüchtlinge und Wir Herrenberg“, sowie die Freunde des Schickhardt Gymnasiums.

Alle Fraktionen im Gemeinderat der Stadt Herrenberg haben sich in einer Erklärung bereits hinter den Aufruf gestellt. „Rechtsradikale versuchen, die gereizte Stimmung nach zwei Jahren Pandemie für ihre Zwecke zu nutzen. Gerade die, die überall nichts anderes tun, als Hass und Spaltung zu betreiben, rufen zum Kampf für Freiheit auf. Welch ein Hohn“, heißt es in dem schriftlichen Statement von Freien Wählern, Grünen. CDU Frauenliste und SPD. Diesem Aufruf schließen sich die FDP-Räte Wilhelm Bührer und Siegfried Dierberger, die noch keine Fraktion im Stadtparlament bilden, in einem separat verschickten Statement vollumfänglich an. Auch Tobias Bacherle, der Grünen-Bundestagsabgeordnete für den Landkreis Böblingen, stellt sich in einer Pressemitteilung hinter die Aktion. Die AfD offenbare, „dass ihr die vulnerablen Menschen unserer Gesellschaft völlig egal sind und verhöhnt all die vielen Opfer dieser Pandemie“, schreibt der Sindelfinger.

Einsatzleiter: „Wir werden konsequent einschreiten“

„Wir haben in Herrenberg bereits Erfahrungen mit ähnlichen Einsatzanlässen und denselben Akteuren gemacht,“ sagt der polizeiliche Einsatzleiter, der Leitende Polizeidirektor Markus Geistler vom Polizeipräsidium Ludwigsburg. Beide Seiten hätten sich in der Vergangenheit im Wesentlichen an die Spielregeln gehalten, so Geistler. Das erwarte man auch am Sonntag.“ Das heißt aber auch, dass wir keine wie auch immer gearteten gewalttätigen Aktionen dulden und in einem solchen Fall konsequent einschreiten werden“, so der Einsatzleiter. Man werde darauf achten, dass keine Versammlung gestört oder gar verhindert werde. Zudem würden die Einsatzkräfte ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Abstands- und Maskenregelungen legen und „beharrliche Verstöße ahnden.