Kabarettist Christoph Sonntag (links) lässt FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke (Mitte) in der Alten Kelter in Fellbach das Fass anstechen, den er als „neuer Ministerpräsident“ vorstellt. Foto: www.perfectfotos.com/Wolfgang List

Heftig knöpft sich Christoph Sonntag mit scharfen Pointen die versammelten Spitzen der Landespolitik vor, um am Ende seiner Fastenpredigt ernst zu werden: Der Kabarettist ruft die Widersacher auf, im Kampf gegen rechts die „Fahne der Demokratie“ hochzuhalten.

Was für ein Tag, so wunderschön für Rülke! Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag darf in der ausverkauften Alten Kelter in Fellbach bei der Aufzeichnung der SWR-Sendung „Das Jüngste Geri(ü)cht“, einer Mischung aus Bierzelt und politischem Kabarett, zum Fassanstich auf die Bühne.

Christoph Sonntag will den anwesenden Regierungschef Winfried Kretschmann am Samstag entlasten und hat sich einen Vertreter ausgeguckt, den er als „Ministerpräsident Hans-Ulrich Rülke“ begrüßt. Der Saal tobt bei diesen Fake News. Der Therapeut des FDP-Politikers habe ihn darum gebeten, erklärt der Gastgeber, um das abgesunkene Ego des Herrn Rülke ein bisschen aufzurichten.

„Künftig kann ich mich immer an Rülke rächen“

In dieser Rolle geht Rülke auf. Und wie! Nur drei Schläge braucht der 61-Jährige, bis das Fass mit dem Ulmer Bier (eine regionale Brauerei hat sich als Sponsor für diese Veranstaltung nicht gefunden) angestochen ist, auch sonst ist der FDP-Fraktionschef schlagfertiger als gewohnt.

Warum er so erfolgreich als Ministerpräsident sei? Auf diese Frage des Kabarettisten antwortet der Politiker: „Weil ich mir den Sonntag als Regierungssprecher geholt habe.“ Kurz vergessen ist der vergangene Disput zwischen beiden. „Ohne Faktenlage“ habe sich Rülke nach den „falschen Vorwürfen“ im Rosenkrieg mit seiner Ex-Frau gegen Sonntag gestellt, sagt dieser. Mutig sei es schon, dass der Politiker trotzdem in die Alte Kelter komme. „Künftig kann ich mich immer an ihm rächen“, freut sich der Spaßmacher. Und Rülke verspricht Sonntag: „Als Ministerpräsident setze ich mich für Zuschüsse aus dem Hause Lucha für Sie ein.“

Was für Bayern der Nockherberg ist, ist für Schwaben der Kappelberg

Derblecken auf Schwäbisch. Was in Bayern die Starkbierprobe auf dem Nockherberg ist, wird bei den Schwaben unter dem Kappelberg weggetrunken. Fast das komplette Landeskabinett (von Kultusministerin Theresa Schopper bis Justizministerin Marion Gentges) ist gekommen, samt „Kretsche, the Ländlord of the Wäschläpp“, wie ihn Christoph Sonntag begrüßt.

Dazu hocken unter anderen der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger, Landtagspräsidentin Muhterem Aras und SWR-Intendant Kai Gniffke auf den Bierbänken. Die deftige Musi (von Erpfenbrass) fehlt nicht, ein kabarettistisches Vorspiel und Puppentheater stimmen auf Sonntag als Bruder Christopherus im Büßergewand ein, da sich 1500 Besucher in der Alten Kelter zu Wurstsalat und Bier versammeln.

Der Verkehrsminister begeistert als Schauspieler

Bei Sonntag ist es der Samstag der neu besetzten Rollen. Nach dem Auftritt von Rülke als falscher Ministerpräsident feiert Winfried Hermann (Grüne) seine Premiere als theatralisch agierender Schauspieler in der Kabarettformation um Thomas Schreckenberger. Was er als Verkehrsminister bisher erreicht hat, beantwortet er so: „Ich hab Brechreiz bei allen Freunden des Verbrennungsmotors erzeugt.“ An seinem Text habe er mitgeschrieben, verrät Hermann hinterher, weil das Original ihm nicht frech genug gewesen sei. Die Fastenpredigt 2023 hat ihm besser gefallen als in den Vorjahren.

„Diesmal gab’s mehr Attacken“, freut sich der Grüne – vor allem gegen die CDU. Sonntag vergleicht Innenminister Thomas Strobl mit einem „Silberrücken“, der vor der Tür vom „Äffle“ alias CDU-Fraktionschef Manuel Hagel habe stundenlang warten müssen, als die Jungen Bananen aßen und über das Schicksal des Alten beraten haben.

Die Noppers kommen diesmal gar nicht vor

Wenig bekommt Finanzminister Danyal Bayaz ab. Der Grüne würde es besser machen als Lindner in Berlin, sagt Sonntag. „Ich steh’ noch unter Welpenschutz“, vermutet Bayaz. Gar nicht erwähnt wird die ebenfalls anwesende Ministerin Petra Olschowski (Grüne). Weil sie so brav war? „Kunst und Wissenschaft sind wohl nicht so zum Lachen geeignet“, überlegt die Grüne. Ebenfalls leer beim Spott gehen diesmal OB Frank Nopper (CDU) und seine Frau Gudrun Nopper aus, die es im vergangenen Jahr dicke abbekommen haben. Die OB-Gattin hat dem Kabarettisten geschrieben, sie komme nur, wenn er „nicht wieder so einen Mist“ über sie sage.

Über Putin sagt Bruder Christopherus: „Wo sind Schlaganfall und Herzinfarkt, wenn man sie mal braucht?“ Und zum Thema SPD fällt ihm ein: „Die Debatte über Winnetou, ob er noch politisch korrekt ist, hat gezeigt: Winnetou ist der einzige Rote, den die Menschen noch lieben.“ Am Ende ruft der Fastenprediger die oft zerstrittenen Parteien dazu auf, im Kampf gegen Gefahren von rechts zusammenzuhalten und die „Fahne der Demokratie hochzuhalten“.

Das Jüngste Geri(ü)cht

Das SWR-Fernsehen
überträgt die Aufzeichnung der Sendung „Das Jüngste Geri(ü)cht“ an diesem Sonntag um 20.15 Uhr in seinem Fernsehprogramm.