Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Bundesvorsitzende, hält beim 24. Politischen Aschermittwoch der CDU Mecklenburg-Vorpommern ein Glas Bier in der Hand. Foto: dpa

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wirft den Deutschen vor, das verkrampfteste Volk zu sein. Beim politischen Aschermittwoch der CDU in Demmin hat sie sich erstmals zu dem Shitstorm nach ihrem Transgender-Witz geäußert.

Demmin - In dieser Tennishalle hat sich Angela Merkel über viele Jahre am Aschermittwoch gequält. In Demmin in ihrer mecklenburg-vorpommerschen Heimat fand jahrelang der traditionelle Aschermittwochs-Auftritt der CDU-Kanzlerin statt, die sich mit deftigen wie humorigen Worten schwertut. Nun hat Annegret Kramp-Karrenbauer auch hier ihr Erbe angetreten. Angeblich ist der Auftritt in Demmin das Erste gewesen, was Merkel bei der Machtübergabe von ihr gefordert hat.

Das Publikum wartert auf AKK

Ob die neue Chefin eine bessere Komikerin ist – darüber gehen die Meinungen weit auseinander seit ihrem Auftritt kürzlich vor dem Stockacher Narrengericht, wo sie einen Witz mit Toiletten für das dritte Geschlecht machte. Das Publikum in Demmin will natürlich hören, was sie zu der Empörungswelle zu sagen hat, die in den vergangenen Tagen – während sie eine Auszeit bei der Familie im saarländischen Püttlingen nahm – über sie hereingebrochen ist. „Im Saal ist man schon ganz perplex“, reimt der örtliche Europaabgeordnete Werner Kuhn in seiner Einleitung, „erklär‘ uns doch den ,Unisex‘.“

Das macht sie. Annegret Kramp-Karrenbauer wirft ihren Kritikern erstens vor, nicht genau zugehört zu haben, weil es um schwache Männer gegangen sei und nicht um eine Herabwürdigung von Intersexuellen. Zweitens plädiert sie für Gelassenheit: „Lasst den Leuten, Ihre Art zu lachen!“ Wenn selbst im Karneval jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werde, drohe ein Stück Tradition in Deutschland kaputtzugehen.

Die CDU steht geschlossen hinter Kramp-Karrenbauer

Rechtfertigen muss sie sich vor den begeisterten Parteianhängern in Demmin und auch darüber hinaus nicht mehr. Nach drei Monaten Amtszeit sind sich Christdemokraten aller Couleur ziemlich sicher, die Richtige gewählt zu haben. „AKK hat die Partei und die Union weitestgehend befriedet“, meint die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Karin Maag. Tatsächlich sind auch die angetan, die noch beim Parteitag auf Friedrich Merz setzten und bei Kramp-Karrenbauers Sieg eine Parteispaltung befürchteten. „Seit ihrer Wahl hat sie noch nichts öffentlich gesagt, was ich nicht unterschreiben würde“, sagt Christian von Stetten vom Parlamentskreis Mittelstand. „Sie versucht ernsthaft, die ganze Partei mitzunehmen“, urteilt Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Selbst Alexander Mitsch, Vorsitzender der rechten Rebellen von der Werteunion, zieht eine positive Bilanz: „Sie bemüht sich darum, die Partei zu vitalisieren, indem sie auf die Mitglieder zugeht und sie einbindet.“

Die Deutschen seien zu verkrampft

Geschickt versteht es AKK, den verschiedenen Flügeln etwas zu bieten. Im Kloster Schöntal wurden Ende Januar mit Steuerentlastungszusagen die württembergischen Wirtschaftsleute beglückt, zwei Wochen später beim „Werkstattgespräch“ zur Flüchtlingspolitik die Innenpolitiker mit knallharten Ansagen zum Grenzschutz. Und die Tatsache, dass rund 1500 Zuschauer die CDU-Vorsitzende mit stehenden Ovationen aus der Stockacher Narrenhalle verabschiedeten, spricht auch nicht eben dafür, dass ihr intersexueller Witz vor Ort für Abscheu und Entsetzen gesorgt hätte. Und auch in Demmin johlt der Saal, als Kramp-Karrenbauer ihren Kritikern vorwirft, aus Deutschland, das während der Wiedervereinigung als glücklichstes Volk der Welt galt, „das verkrampfteste Volk“ gemacht zu haben.

An der Basis punktet sie mit deftigen Sprüchen über den Berliner Koalitionspartner SPD, der aus halb Deutschland Bedürftige machen wolle und den Malochern schon längst keine politische Heimat mehr sei. Die Parteifunktionäre beeindruckt der neue Tonfall. „Es wird über alles offen geredet“, berichtet Südwest-Landesgruppenchef Andreas Jung.

Politikwende wird erwartet

In Demmin wird Angela Merkel Dank für ihre Kanzlerjahre zuteil, als ob sie schon zu Ende wären. Wenn es überhaupt noch parteiinterne Kritik an AKK gibt, dann die, dass sie nicht alleine das Sagen hat. „Jetzt muss diese Kursänderung der CDU auch im Koalitionsausschuss bei der SPD durchgesetzt werden“, sagt Wirtschaftsmann von Stetten. Und die Werteunion hält es für entscheidend, dass ihre „Politikwende bald auch im Kanzleramt ankommt“.