Von der Hessebahn bis Häugern: Beim Zunftmeisterempfang stimmen sich Fasnet-Aktive und Politprominenz scharfzüngig auf den den Höhepunkt der tollen Tage ein.
Jeder weiß es: In den heutigen bewegten Zeiten muss man gerade auf dem Arbeitsmarkt flexibel sein. Und so hat Christian Walter nach seiner Absetzung durch die Narrenzunft AHA aus der Not eine Tugend gemacht. Präsentierte sich der Bürgermeister a. D. vor einer Woche beim Narrensprung als Holzfäller, so hat er am höchsten Weil der Städter Feiertag zum Koch umgesattelt.
Der plötzliche Berufswechsel bringt beim Zunftmeisterempfang im Klösterle sogar den nie um einen Spruch verlegenen Daniel Kadasch kurz aus dem Konzept. Wollte der Zunftmeister doch den abgesetzten Rathauschef als Landschaftsgärtner verdingen, auf dass dieser das Schnittgut vom Baumfällen in Häugern aufsammele. Andererseits: Der Hunger ist gerade zum Höhepunkt der Fasnet nicht nur bei den aktiven Narren besonders groß.
Des Landrats Lieblingstag
Und deshalb darf Walter, der mit Frau und Kleinkind gekommen ist, sogar in die Bütt. Um sogleich ein gewisses Mitgefühl für den im poppigen Achtziger-Look erschienenen Kollegen aus Leonberg zu äußern: „Der Martin Cohn hat’s auch nicht leicht, er hat seine Beigeordneten verscheucht.“
Der Landrat kriegt ebenso sein Fett ab: „Roland Bernhard hat die Kreisumlage erneut gesteigert und jegliches Erbarmen verweigert“, klagt der temporäre Ex-Bürgermeister. Aber ganz will es sich der Rathaus-Christian mit dem übrigens ebenfalls abgesetzten Chef der Kreisverwaltung dann doch nicht verderben und lobt dessen Engagement für die Weiler Fasnet. Bernhard, im rustikalen Gärtnergewand erschienen, bedankt sich, indem er ein Geheimnis verrät: Neben seinem Hochzeitstag ist der Fasnetsonntag in Weil der Stadt des Landrats Lieblingstag.
Für die Entscheidungen, die im Weiler Rathaus getroffen werden, kann freilich der Landrat nichts. Und deshalb dürfte sich Holzfäller und Koch Walter angesprochen fühlen, wenn Frank Gann feststellt: „Wer die Kosten für Fasnet hat gedeckelt, der gehört gehörig versäggelt. Denn viele Leute kommen zur Fasnet hierher, das schafft sonst keiner mehr.“ Was den AHA-Chef aber am meisten ärgert: „Die Mehrkosten zahlen alle wir, das bedeutet für uns weniger Schorle und Bier.“
Fastnet-Freunde aus dem Schwarzwald können nach wie vor nicht per Bahn nach Weil der Stadt. Und ob die Hesse-Bahn jemals fährt, das hängt von kleinen Flattertieren im Tunnel ab. „Für Fledermäuse gibt es ein zweites Heim, kein Wohnungssuchender hat ein solches Schwein“, stellt der SPD-Kreisrat Tobias Brenner in der Bütt fest. Deshalb wollen die „alte Sägg“ vom närrischen Kepler-Verkehrsverbund die Planung für die Hessebahn lieber selbst übernehmen. Auch eine alte Idee des Leonberger Oberbürgermeisters, die dort nur bedingt auf Gegenliebe gestoßen ist, könnte dafür in Weil der Stadt die Verkehrsprobleme lösen: eine Seilbahn.
Schöne Idee, aber bitte dann ohne entsprechende Verordnung, sagt Hans Dieter Scheerer. Der Rechtsanwalt von der FDP ist fast schon ein Exot: Er ist Landtagsabgeordneter und Stadtrat in Weil der Stadt und hat damit zwei parlamentarische Ämter. Und kennt sich deshalb mit Paragrafen besonders gut aus. Verordnungen gibt es wahrhaft genug – von der für den Boden bis hin zur Musikschule, um nur zwei zu nennen.
„Wohnraum nur für die Viecher“
Was das in der Praxis bedeutet, das schildern Christian Walter und der natürlich ebenfalls abgesetzte Beigeordnete Jürgen Katz am Beispiel um die gefällten Bäume im geplanten Wohngebiet Häugern. Fazit der kummergewohnten Kommunalpolitiker: „Wohnraum gibt es nur für die Viecher, nicht für die Leut.“ Und wer ist schuld? Der Most!
Dazu könnte auch Marc Biadacz einiges sagen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete ist noch im Blaumann von den Koalitionsverhandlungen aus Berlin nach Weil der Stadt geflüchtet. Doch zur Fasnet will er sich über die Politik nicht äußern. Und das ist wahrscheinlich gut so!