Frank Brettschneider. Foto: dpa

Professor Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim spricht über die Lage vor und nach dem 7. Oktober, dem Tag der OB-Wahl in Stuttgart.

Stuttgart – Die Grünen und die SPD werden im Finale der Stuttgarter OB-Wahl diesmal an einem Strang ziehen – meint der Politikwissenschaftler Frank Brettschneider. Für die CDU und Sebastian Turner könne es dann sehr schwer werden. SÖS-Stadtrat Rockenbauch kämpfe gut, aber aussichtslos.

Herr Brettschneider, laut Infratest-Dimap ist Sebastian Turner bei den Stuttgartern etwas bekannter als Fritz Kuhn. Sie haben eine Woche zuvor herausgefunden, dass Fritz Kuhn beim Bekanntheitsgrad mit 76 Prozent zu 65 Prozent vor Turner liegt. Merkwürdig!
Das ist leicht zu erklären. Infratest fragt nur nach der Bekanntheit des Namen der Kandidaten. Bei uns hingegen sind nur Antworten von Befragten eingeflossen, die mit den Kandidaten mehr als nur den Namen verbinden. Da überrascht es nicht, dass der Politikprofi Kuhn vorn liegt und dann Turner folgt, der früh als Kandidat angetreten und in den Wahlkampf gestartet ist.

Als voraussichtliches Ergebnis am 7. Oktober ermittelten Sie jeweils 32 bis 38 Prozent für Kuhn und Turner, 12 bis 17 Prozent für Wilhelm und Rockenbauch. Infratest-Dimap kam auf 31 Prozent für Kuhn, 28 für Turner, 21 für Wilhelm und 13 für Rockenbauch.
Der Unterschied ist nicht gravierend. Die Abweichungen liegen im statistischen Fehlerbereich. Wir haben außerdem die hohe Zahl der Unentschiedenen nicht eingerechnet, sondern getrennt ausgewiesen. Das waren vergangene Woche immerhin rund 48 Prozent. Bei der Frage, was die Stuttgarter für wichtige oder gar wahlentscheidende Themen halten, gibt es große Übereinstimmungen. Nur das Thema Wirtschaft rangierte bei unseren Befragten nicht ganz so weit oben. Nach unseren Erkenntnissen ist es zwar für CDU-Anhänger wichtig, aber nicht so sehr für die Gesamtbevölkerung.

Ist Kuhn jetzt auch für Sie der Favorit?
Gerade wegen der vielen Unentschiedenen sind Prognosen meines Erachtens nicht möglich. Da kann sich noch viel bewegen. Ziemlich sicher scheint mir, dass es einen zweiten Wahlgang brauchen wird. Für den ersten Durchgang deutet alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kuhn und Turner hin. Sollte Frau Wilhelm noch mobilisieren, könnte sie vor Rockenbauch liegen.

Und was wird der zweite Wahlgang bringen?
Falls die SPD-Kandidatin aus dem Rennen ausscheidet und Kuhn mit ihr einen Deal machen kann, wird Turner es sehr schwer haben. Dann kann er nur noch versuchen, die parteipolitisch Ungebundenen anzusprechen und beim zweiten Wahlgang viele Nichtwähler an die Wahlurnen zu locken. Dies ist allerdings eine Herkulesaufgabe, denn üblicherweise nimmt die Wahlbeteiligung nach dem ersten Wahlgang eher ab.

Wie gut sind die Chancen für Absprachen und Pakte zwischen den Wahlgängen diesmal?
Zwischen Kuhn und Wilhelm sollte dies nicht schwer sein. Die beiden reden schon jetzt häufig vom Gleichen, nur die Rangliste der Themen ist bei den beiden etwas unterschiedlich. Die Grünen und die SPD werden es sich nicht leisten können, sich erneut brillant ein Bein zu stellen und sich im Finale die gegenseitige Unterstützung zu versagen.

Wie könnten sich Kuhn und Rockenbauch zusammenraufen, wenn das Aushängeschild der S-21-Gegner sich zurückzieht?
Das ist die spannende Frage. Falls sich Kuhn mit Wilhelm einigen kann, braucht er Rockenbauch eigentlich nicht sehr. Sie könnten vielleicht vereinbaren, dass einige Aspekte wie die Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs noch einmal gründlich geprüft werden. Sehr weit kann Kuhn aber nicht gehen, weil er sonst S-21-Befürworter verprellt. Deshalb wird er nicht viel in diese Richtung unternehmen. Bisher agiert er beim Thema S 21 ja nicht ungeschickt.