Aya Krkoutli war 2021 bis 2023 Landessprecherin der Grünen Jugend. Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Aya Krkoutli floh vor elf Jahren mit ihrer Familie aus Syrien. Ihr macht die Stimmung in Deutschland Sorge – und die Forderung, dass syrische Flüchtlinge zurückkehren sollen.

Am Samstag kann Aya Krkoutli sich kaum vom Handy lösen. Beim Grünenparteitag in Reutlingen ist sie mit dem Kopf in ihrer Heimat Syrien. Sie verfolgt arabische Nachrichtenseiten – gegen Nachmittag teilt sie einen Flighttracker. Es verbreiten sich erste Gerüchte, dass Assad Syrien verlassen haben könnte. Das Unglaubliche deutet sich an: Der Diktator Assad ist gestürzt.

 

Der Diktator also, vor dem auch Aya Krkoutlis Familie fliehen musste. Zwei Tage später ist sie immer noch euphorisch. „Die Freude ist groß. Die Freude ist riesig. Da ist auch etwas Angst. Aber die Freude überwiegt“, sagt die 23-Jährige am Montag. „Allein, dass Assads Gefängnisse geöffnet wurden, ist ein Grund zur Freude.“

Sie verfolgt seit Ende November die Entwicklung, seit die Gruppe um Abu Mohammed al-Dschulani in Aleppo einmarschiert ist. „Damals hieß es, Aleppo ist jetzt frei. Ich hatte Angst, vor allem um die Minderheiten“, sagt Krkoutli. Sie selbst gehöre zwar keiner Minderheit an in ihrer Heimat, aber sie habe kurdische und christliche Freunde. Nun macht sich nur teils Erleichterung breit, denn den Minderheiten würden zwar Angebote gemacht. Doch die Diskriminierung gegen die kurdische Zivilbevölkerung sei nach wie vor präsent.

Die erste Explosion erlebte sie in der ersten Klasse

Ebenso präsent sind ihre Erinnerungen an Syrien: Ihre erste Explosion erlebte sie in der Grundschule in Damaskus, wo sie aufgewachsen ist. Die lag direkt neben der amerikanischen Botschaft, die 2006 von Islamisten angegriffen wurde. „Danach musste ich die Schule wechseln, weil ich Angst hatte, zur Schule zu gehen.“

Das war lange vor dem arabischen Frühling. Aya Krkoutli erinnert sich, dass in Syrien damals nichts von Freiheit zu spüren war, als der Bürgerkrieg begann. „Niemand hat sich getraut zu sagen, die Revolutionäre haben recht – selbst im Familienkreis nicht.“ Unerträglich wurde die Situation, als 2011 und 2012 in Damaskus immer wieder junge Mädchen gekidnappt und ermordet wurden. „Das war der Zeitpunkt, als meine Eltern gesagt haben, wir müssen gehen“, sagt sie. „Wir konnten mit Hilfe eines Arbeitsvisums meines Vaters im Flugzeug nach Deutschland reisen.“

Die Familie verbringt die ersten vier Jahre in Berlin. Dort lernt Krkoutli Deutsch, das sie heute fließend spricht. Dort trifft sie auf Lehrer, die sie fördern und sie auf ihren Weg in die Politik bringen. Als die Familie nach Aalen zieht, engagiert sie sich bei den Grünen, wird zwei Jahre lang Landessprecherin der Grünen Jugend und sitzt heute im Parteirat der Grünen in Baden-Württemberg. Feministische Themen haben sie in die Politik gebracht, sagt sie. Bei Parteitagen im vergangenen Jahr hält sie flammende Reden gegen die Asylpolitik der eigenen Partei.

Familie wurde mit offenen Armen empfangen

„Ich zähle mich zu denjenigen, die Glück hatten“, sagt sie. Denn sie kennt die Geschichten anderer syrischer Flüchtlinge, die nach 2015 ihr Leben riskierten, um dem Regime zu entfliehen und nicht mehr mit offenen Armen in Deutschland empfangen wurden. Der Schmerz, die eigene Heimat verloren zu haben, sei immer da. Wenn sie ihren Freunden keine Kindheitsbilder zeigen könne, oder auch, wenn die Familie fehlt. „Meine Oma ist inzwischen gestorben, davor hatte ich sie 15 Jahre nicht gesehen. Ob wir jemals ihr Grab besuchen können, weiß ich nicht.“

Rückkehr nach Syrien?

Sorge macht ihr der Rechtsruck in Deutschland. „Inzwischen habe ich ein starkes Gefühl, nicht willkommen zu sein“, sagt Aya Krkoutli. „Und jetzt ist auf einmal das eigene Land befreit.“ Trotzdem kann sie sich heute nicht vorstellen, nach Syrien zurückkehren. Sie hat sich ein Leben in Deutschland aufgebaut, studiert Politik und Englisch auf Lehramt und ist bei den Grünen fest verwurzelt. „Ich habe mich in Deutschland eingelebt und viele Jahre damit verbracht, mich zu beweisen.“

Dass schon am Tag nach Assads Sturz Unionspolitiker fordern, die Rückkehr nach Syrien zu unterstützen, findet sie erschreckend. „Nach 54 Jahren Diktatur ist kein Land von einem auf den anderen Tag wieder stabil“, warnt sie – glaubt aber auch: „Wenn der Freudenschock vorbei ist, werden alle realistisch darüber nachdenken.“ Doch die Frage sei auch, was die Menschen in Syrien überhaupt vorfänden. „In den meisten Städten stehen keine Häuser mehr“, sagt sie. Und nach 13 Jahren Krieg hätten auch viele in Deutschland eine neue Heimat gefunden. „Viele sind heute deutsche Staatsbürger.“