Die Europawahl ist ausgezählt, die Regionalversammlung folgt als Nächstes. Foto: Horst Rudel

Für die Grünen im Kreis Esslingen ist die Europawahl ein Freudenfest. Die SPD hingegen erleidet ein Debakel. Der CDU-Politiker Markus Grübel teilt angesichts des Ergebnisses kräftig aus. Und Jürgen Ziegers sozialdemokratisches Herz weint. Ergebnisse und Reaktionen aus dem Kreis Esslingen.

Esslingen - Die SPD hat es auch im Landkreis Esslingen richtig schwer erwischt. Gegenüber dem Ergebnis der Europawahl 2014 verloren die Sozialdemokraten rund zehn Prozent und landeten nun bei gerade noch 13,7 Prozent. Stärkste Kraft im Kreis bleibt die CDU mit 29,9 Prozent (minus 7,7 Prozent). Der größte Gewinner sind die Grünen, die von 13,9 Prozent (2014) auf 23,2 Prozent zulegten. Die AFD blieb mit 9,6 Prozent einstellig. Kräftig zulegen konnten die FDP um 3 Prozent auf 7,2 Prozent.

Besonders stark haben die Grünen in Esslingen selber abgeschnitten. Dort wurden sie mit 26,6 Prozent stärkste Kraft und verdrängten die CDU mit 26,2 Prozent auf Platz zwei. Die SPD musste sich mit knapp 16 Prozent zufrieden geben. Mit Spannung wird angesichts dieses Erdrutsches nun der Ausgang der Kommunalwahl erwartet. Die Stimmzettel werden im Lauf des Montags ausgezählt.

„Mein sozialdemokratisches Herz ist natürlich sehr traurig,“ sagt der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger in einer ersten Stellungnahme. Allerdings habe sich der Stimmungswandel, der sich nun im Ergebnis der Europawahl widerspiegele, schon angedeutet: Themen wie Umweltschutz und Klimawandel, das hätten die vergangenen Monate gezeigt, seien mittlerweile die bestimmenden Themen in der politischen Diskussion.

Unter dem Stimmungswandel leidet am meisten die SPD

Zieger: „Dafür gibt es ja nachvollziehbare und wissenschaftlich belegte Gründe. Und deshalb bin ich persönlich nicht einmal traurig darüber, dass die Themen, für die ich mich schon lange einsetze, nun besser dotiert werden müssen.“ Umweltschutz und Klima seien nun einmal in der DNA der Grünen verankert, und nicht in der der SPD. Deshalb leide unter diesem Stimmungswandel am meisten die SPD.

Erfreulich sei bei der Wahl aber auch, dass die rechtspopulistischen und rechtsradikalen Parteien nicht den befürchteten Zuspruch erhalten hätten. Und schließlich sei die hohe Wahlbeteiligung ein Signal dafür, dass der europäische Gedanke lebe.

Klares Bekenntnis der Grünen zu Europa

Für Andreas Schwarz, den Kirchheimer Fraktionschef der Grünen im baden-württembergischen Landtag, ist das beste Europawahlergebnis in der Geschichte seiner Partei zuallererst ein Bekenntnis der deutschen Wählerinnen und Wähler zu Europa. „So klar wie wir hat sich im Wahlkampf keine Partei zu Europa bekannt“, sagt er. Die Menschen hätten mit Grün natürlich Klimaschutz, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Digitalisierung gewählt, „aber auch eine Haltung – nicht griesgrämig und rückwärtsgewandt, sondern mutig, zuversichtlich und optimistisch“, so Schwarz.

Das sieht der Esslinger Landrat Heinz Eininger (CDU) nicht so. „Wenn jemand auf Europa gesetzt hat, dann doch die CDU/CSU mit dem Spitzenkandidaten Manfred Weber“, so der Kreischef, der gleichwohl seiner Partei, wie auch der SPD, „ein verheerendes Ergebnis“ bescheinigt. Für ihn stellt sich nun die Frage, ob und wie sich die gravierenden Stimmenverluste auf die Chancen von Manfred Weber auswirkt, zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt zu werden.

Grübel übt harsche Kritik an SPD

„Nicht erfreulich“ findet Markus Grübel das Gesamtergebnis der Europawahl. Neben viel Schatten sieht der Esslinger CDU-Bundestagsabgeordnete aber auch etwas Licht. Positiv wertet er die vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung bei der Europawahl und das gute Abschneiden von europafreundlichen Parteien. Außerdem mache ihm der Wahlerfolg der CDU in Bremen Mut. Für die Union zieht er für die Zukunft folgende Schlüsse: „Wir müssen stärker schwarz-grüne Themen beackern.“ Dazu zählten der Klimaschutz und der Schutz der Artenvielfalt sowie eine nachhaltige Landwirtschaft.

Letztlich hat Markus Grübel noch einen Rat an den Koalitionspartner parat. „Den Kevin Kühnert sollte die SPD auf den Mond schießen.“ Die Art und Weise, wie der Bundesvorsitzende der Jusos ständig die Regierungszusammenarbeit in Frage gestellt hat, habe den Sozialdemokraten ebenso geschadet wie der Großen Koalition insgesamt.

Noch keine Rückschlüsse auf das Kommunalwahlergebnis

Christof Bolay (SPD), der Oberbürgermeister der Stadt Ostfildern, ist entsetzt über die „dramatische“ Abwärtsentwicklung seiner Partei. Diese sei in der jüngsten Vergangenheit zwar „Tiefschläge gewöhnt“, aber das Thema Volkspartei müsse man hinterfragen, wenn man unter die 15-Prozent-Marke rutsche. Die Grünen hätten mit ihrem ureigenen Thema Klimaschutz offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen und damit auch Nichtwähler mobilisiert. Das sei der SPD einmal mehr nicht gelungen. Deren Kernthema, die soziale Gerechtigkeit, spiele offenbar nicht die Rolle bei den Wählern. Vielleicht seien Inhalte wie die Grundrente „zu abstrakt“, vermutet Bolay.