Daumen hoch für die Spitzenkandidaten im Landtagswahlkampf? Foto: dpa

Die Reichweite auf Facebook kann enorm sein. Immer mehr Politiker versuchen dies für sich zu nutzen – auch jetzt im Wahlkampf vor der baden-württembergischen Landtagswahl am 13. März.

Stuttgart - Es läuft die Kamera, als Hannes Rockenbauch mit Luigi Pantisano über das Thema Verkehr und Parken diskutiert. Das Gespräch wird in Echtzeit auf der Facebook-Fanseite des Landtagskandidaten der Linken übertragen. Das Besondere daran: über die Kommentare können die Bürger in Echtzeit mitdiskutieren. Die Idee der Live-Diskussion mit Bürgern, die unter dem Hashtag (Schlagwort) #ROCKPOLITIK läuft, wird bisher vergleichsweise schleppend angenommen. Dennoch wirkt sie erfrischend zwischen all den gewöhnlichen Facebook-Bannern und anderen Online-Kampagnen im baden-württembergischen Wahlkampf vor dem Landtagsvotum am 13. März.

Fakt ist: Soziale Netzwerke in Deutschland werden immer beliebter. Vor allem der Marktführer Facebook erfreut sich einem nach wie vor anhaltenden Zuwachs. Mittlerweile sind hierzulande rund 27 Millionen Menschen bei dem größten sozialen Netzwerk der Welt angemeldet. Freilich können nicht alle dieser Nutzer auf einmal erreicht werden. Gleichwohl ist Facebook für Interessenvertreter aller Art zu einer Marketingplattform mit enormem Reichweitenpotenzial geworden. Dessen sind sich seit einigen Jahren auch die politischen Akteure bewusst.

Nahezu alle Landtagskandidaten verfügen über einen Facebook-Auftritt

Auf Bundesebene nutzen längst alle großen Parteien und viele Bundestagsabgeordnete Kanäle wie Facebook und Twitter, um ihre Meinung zu aktuellen Geschehnissen und Debatten ungefiltert transportieren zu können. Selbst die Bundesregierung gibt seit Februar 2015 auf einer eigenen Facebook-Seite Einblick in ihre tägliche Arbeit. Und auch auf Landesebene haben die Aktivitäten in den sozialen Medien seit mehreren Monaten erheblich zugenommen. Es ist nun mal Wahlkampf.

Wie eine Umfrage unserer Zeitung unter den Grünen, der SPD, der CDU, der FDP, der AfD und den Linken zeigt, haben nahezu alle Wahlkreiskandidaten eine Facebook-Fanpage oder zumindest ein halb-öffentliches Profil. „Seit der Landtagswahl 2011 hat sich einiges verändert, mittlerweile wird ein Facebook-Auftritt fast schon erwartet“, sagt zum Beispiel Roland Wahl, der bei der Landes-CDU für die Bereiche Politische Kommunikation und Internet zuständig ist. Und Carsten Preiss, beim Landesverband der Grünen für die Onlinekommunikation verantwortlich, meint: „Die Facebook-Präsenz gehört seit einigen Jahren zum guten Ton.“

Wolf und Schmid liegen knapp unter der 10 000-Fan-Marke

Daher verwundert es kaum, dass die Spitzenkandidaten Nils Schmid (SPD), Guido Wolf (CDU), Hans-Ulrich Rülke (FDP), Jörg Meuthen (AfD) und Bernd Riexinger (Linke) auf ihren Facebook-Seiten fast täglich geschriebene Statements abgeben, auf Wahlkampfveranstaltungen hinweisen und Inhalte ihrer Partei teilen. Doch deren Reichweite ist (bisher) begrenzt. Keiner aus dem Quintett hat die 10 000-Fan-Marke geknackt. Auch die Diskussionskultur auf den Seiten ist kaum ausgeprägt.

Als einzige der Partei-Vormänner sind Wolf und Rülke beim Bilderdienst Instagram aktiv. Im Gegensatz zu Wolf, bei dem sein Team den Account betreut, nutzt Rülke diesen Kanal selber – und das an manchen Tagen fast so eifrig wie ein Teenager. Über die Fotos auf Instagram gibt er sogar Einblicke in sein Privatleben – etwa, wenn er mit einem Buch im Wohnzimmer sitzt, joggen geht oder sonntags zum Brötchenholen fährt.

Hinter Kretschmanns Auftritt steckt das Staatsministerium

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verzichtet im größten sozialen Netzwerk der Welt hingegen auf offensive Töne in eigener Sache. Denn die offizielle Facebook-Fanseite des 67-Jährigen wird von zwei Mitarbeitern des Staatsministeriums betreut. Tilo Berner und Jana Höffner verlinken als Beiträge in den meisten Fällen nur auf offizielle (Presse-)Mitteilungen der Landesregierung.

Auffällig ist: Alle sechs Parteien machen ihren Kandidaten keine konkrete inhaltliche Vorgaben. Für den Fall, dass sich der eine oder andere Kandidat im Umgang mit sozialen Medien schwertut und dennoch nicht darauf verzichten will, gibt aber der Landesverband der FDP zum Beispiel Hilfestellungen. „Wir haben einen zehnseitigen Frage-Antwort-Katalog verteilt. Und wir stehen all unseren Mitgliedern zur Verfügung, wenn es Fragen gibt“, sagt die Social-Media-Beauftragte der Südwest-Liberalen, Lisa Rossel. Der baden-württembergische SPD-Landesverband hat einen Leitfaden für die Kandidaten und deren Mitarbeiter erstellt, die Grünen setzen auf ein Handbuch ihres Bundesverbands mit Tipp und Tricks für die sozialen Netzwerke. Verbindliche Schulungen gibt es aber bei keiner Partei.

„Gute Gelegenheit, sich diskussionsfreudig und offen zu geben“

Alles in allem kommen die Auftritte der Landespolitiker wohl auch deshalb ziemlich individuell daher. Der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger findet das sogar „wichtig“. Denn Facebook sei ein „Kanal des persönlichen, lockeren und individuellen Austauschs“. Er biete Politikern „eine gute Gelegenheit, sich diskussionsfreudig und offen zu geben“, sagt der Professor für Onlinekommunikation an der Universität Hohenheim. Geht ein Politiker auf die Kommentare unter einem Beitrag allerdings nicht ein, droht ihm genau das Gegenteil – nämlich als abgehobener und nicht bürgernaher Mensch abgestempelt zu werden. Aus diesem Grund gilt aus Schweigers Sicht die Maxime: „Wenn man nicht die Zeit, die Ressourcen und die Lust hat, in kleinere Diskussionen einzutreten – so mühsam sie auch sein mögen –, sollte man es mit dem Auftritt in einem sozialen Netzwerk lieber ganz bleiben lassen.“

Inwieweit sich die Facebook-Aktivitäten auf das Wahlverhalten der Bürger auswirken, kann ohnehin niemand so richtig einschätzen. Der Tenor in den Landesverbänden aller Parteien ist ähnlich: Soziale Medien seien ein immer wichtiger werdendes Instrument im Wahlkampf – überbewerten sollte man die Wirkung allerdings nicht.

AfD liefert ein gutes Beispiel

Für Schweiger erfüllt Facebook vor allem eine Funktion: Gleichgesonnene zu erreichen. „Soziale Medien sind eine sehr gute Möglichkeit, die eigenen Anhänger zu motivieren, zu mobilisieren, zu bestärken und dazu zu bringen, vor Freunden, Kollegen und Verwandten ihre Meinung kund zu tun“, sagt er. Was wiederum wirkungsvoll sein könne. Denn positive Meinungsäußerungen über eine Partei in direkten Gesprächen zwischen Menschen seien viel effizienter als etwa Wahlplakate.

Ein Beispiel, wie sich Gleichgesonnene über soziale Netzwerke zusammenfinden und sich gegenseitig in ihrer Meinung bestärken, liefern die Anhänger der AfD. „Weil wir in den klassischen Massenmedien als neue Partei zunächst eher wenig Präsenz hatten, sind wir sehr früh in den sozialen Netzwerken aktiv geworden“, sagt AfD-Landessprecher Lars Patrick Berg. Er halte Facebook für „mindestens genauso wichtig“ wie ein Stand der Partei samstagmorgens auf dem Marktplatz. „Man muss die Menschen dort ansprechen, wo sie sind“, sagt Berg. Beides sei deshalb ein Muss, aber beides dürfe nicht überbewertet werden. Dabei gibt es Stimmen, die behaupten, die sozialen Netzwerke hätten die AfD überhaupt erst stark gemacht.

Nichtwähler werden durch soziale Netzwerke kaum beeinflusst

Unterdessen zeigen mehrere Studien, dass bisherige Nichtwähler durch Social-Media-Aktivitäten nicht zum Wählen motiviert werden. Diejenigen Menschen, die ohnehin schon kaum Interesse an Politik haben, meiden sie demnach auch im Internet. „Um neue Wähler zu gewinnen, sind soziale Medien nicht das Instrument“, sagt auch Kommunikationswissenschaftler Schweiger. Das gehe immer noch am ehesten über die klassischen Massenmedien – also Zeitung, Radio, Fernsehen oder auch Nachrichten im Internet.

Und wie sieht es mit Websites aus? Benötigen Politiker diese überhaupt noch, wenn die Netz-Aktivitäten der Bürger immer weiter in die sozialen Netzwerke abdriften? Ja – da sind sich die Internetexperten der Parteien und Kommunikationswissenschaftler Schweiger einig. Der Grund: Die Website hat eine andere Funktion als der Auftritt auf Facebook. Die Website gibt Menschen, die aktiv suchen, die Möglichkeit, sich ausführlich zu informieren. „Die Website ist die Visitenkarte jeder Partei, jedes Politikers“, sagt Schweiger, „dort können sie ihre Position darstellen und politische Inhalte erklären. Und dort haben sie Platz, auch mal längere Dokumente anzubieten.“ Facebook sei hingegen eher ein Instrument für den Beziehungsaufbau und zur Beziehungspflege.

Am wichtigsten, da sind sich alle Beteiligten einig, ist und bleibt aber immer noch die Gespräche mit den Bürgern vor Ort. Und daran wird sich auch im Zuge der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung wohl auch nichts ändern.