Der Landtag tagt am Wochenende nicht. Aber auf die Abgeordneten warten samstags und sonntags jede Menge Termine im vorpolitischen Raum. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Sonntags frei – geht das überhaupt in der Politik? Sieben Abgeordnete aus Esslingen wagen den Versuch und machen sonntags Pause von der Politik. Sie hoffen auf Nachahmer.

Stuttgart - Sieben Landtagsabgeordnete aus Esslingen wagen ein Experiment, um als Väter und Mütter wichtige politische Ämter familienfreundlicher als bisher ausfüllen zu können. Sie wollen ab jetzt ihre Sonntage politikfrei halten und treten für effizientere Sitzungen und mehr Fairness gegenüber jungen Eltern bei der Terminfindung ein.

 

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Mit dabei sind Fraktionschef Andreas Schwarz, Staatssekretärin Andrea Lindlohr (beide Grüne), Vize-Fraktionschef und Parlamentsgeschäftsführer Andreas Deuschle, Vize-Fraktionschef Nicolas Fink (SPD) und die Abgeordneten Natalie Pfau-Weller, (CDU), Andreas Kenner (SPD) und Dennis Birnstock (FDP). Alle sieben sind Väter oder Mütter und machen Politik im Landkreis Esslingen. „Wir wollen keine Sonderregeln im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, die sonntags arbeiten“, betont der Initiator des Projekts, Andreas Deuschle. „Da geht es mehr um gleiche Chancen für Väter und Mütter in der Politik, bei denen nicht die Frau oder der Partner zuhause bleibt und alle Familienpflichten übernimmt.“

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Modellversuch mit bundesweiter Ausstrahlung

Das Projekt der Esslinger Abgeordneten ist ein Modellversuch, der bundesweit für Politiker vom Gemeinderat bis zum Bundesminister interessant werden kann. Für Akteure in der Demokratie sind Sechzig-Stunden-Wochen und mehr mit vielen Abend- und Wochenendterminen ebenso alltäglich wie schwer vereinbar mit ihren Aufgaben und Wünschen als Väter und Mütter.

„Wichtig ist für unseren politikfreien Sonntag, dass wir vor Ort eine Phalanx bilden und alle Esslinger Landtagsabgeordneten mitmachen“, betont Andreas Deuschle, der nach der Geburt von Sohn und Tochter jeweils ein paar Monate lang eine Art von Elternzeit mit stark reduzierter Sitzungspräsenz gemacht hat. „Die Solidarität untereinander ist eine Voraussetzung, dass das ein Erfolg wird, damit nicht ein Einzelner am Wochenende exklusiv den vorpolitischen Raum und die Vereinsszene beackert und die politische Konkurrenz alt aussehen lässt.“

Spitzenpolitiker machen mit

Deuschle freut sich nicht nur, dass alle Esslinger Landtagsabgeordneten mitmachen, sondern auch, dass mit Fraktionschef Schwarz und Staatssekretärin Lindlohr zwei Spitzenpolitiker der Koalition dabei sind, deren Terminkalender noch voller sind als bei normalen Abgeordneten.

„Der Sonntag sollte grundsätzlich frei von politischen Terminen gehalten werden“, sagt Schwarz und tritt dafür ein, dass auch Politiker „gezielt Zeiten für die Familie, für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige freihalten können“. Andrea Lindlohr findet, dass „die ständige Terminierung von Sitzungen und Veranstaltungen am Abend und am Wochenende es für Eltern schwer macht, im Politikbetrieb mitzuhalten“. SPD-Fraktionsvize Nicolas Fink klagt, dass schon bei Kommunalpolitikern, die ehrenamtlich arbeiten, politische Abläufe oft „ganz auf Kinderlose zugeschnitten“ sind, und der Liberale Dennis Birnstock fordert mehr Verständnis, wenn Politiker nicht überall anwesend sind, weil Zeit für die Familie ihnen wichtig ist.

„Wir probieren das jetzt aus und sind gespannt auf die Reaktionen“, sagt Andreas Deuschle dazu. Alle sieben wünschen sich, dass das Modell Schule macht und Nachahmer findet.