Sieben Bewohner der Flüchtlingsunterkunft Ellwangen sitzen nach den Vorfällen in Untersuchungshaft. Foto: dpa, privat

Nach der Großrazzia in Ellwangen wird kontrovers über Horst Seehofers Schlüsselprojekt diskutiert. Wenig begeistert zeigt sich die Polizei über den Plan, ankommende Asylbewerber in sogenannten Ankerzentren unterzubringen.

Berlin - Der nach seiner gescheiterten Abschiebung gefasste Asylsuchende aus Togo soll möglichst schnell abgeschoben werden. Wie das Stuttgarter Landesinnenministerium am Freitag mitteilte, soll er aus der Abschiebehaft in Pforzheim rasch nach Italien zurückgebracht werden. Dort kam er erstmalig in die EU. Nach Darstellung seines Anwalts Engin Sanli hat der 23-Jährige bereits Mitte September einen Bescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekommen, wonach er nach Italien zurückgeführt werden soll. Dagegen war laut Sanli eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht worden. „Bislang haben wir dazu aber noch keine Entscheidung erhalten“, so Sanli. Seit Einreichung der Klage genieße sein Mandant vorläufigen Rechtsschutz: „Seine Abschiebung und die Verhaftung sind rechtswidrig, weil jetzt Deutschland für sein Asylverfahren zuständig ist.“Die Polizei prüfte mit der Staatsanwaltschaft derweil weiter strafrechtliche Konsequenzen für diejenigen Asylsuchenden, die Widerstand gegen die Abschiebung am Montag geleistet haben. Sieben Bewohner der Unterkunft wurden nach Polizeiangaben am Freitag in Untersuchungshaft genommen. In vier Fällen gehe es um den Vorwurf tätlicher Angriffe auf Polizisten im Rahmen der Kontrollen. Zwei Männern werde Drogenhandel vorgeworfen, einem gewerbsmäßiger Diebstahl. Die Polizei hatte am Donnerstagmorgen eine Großrazzia in der Unterkunft gestartet, nachdem eine Gruppe von Asylbewerbern am Montag die Abschiebung des Togolesen mit Gewalt verhindert hatte.

Sind solche Ankerzentren die Lösung?

Der baden-württembergische Innenausschuss befasst sich am 16. Mai mit den Vorgängen in Ellwangen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) werde in einem mündlichen Bericht informieren, teilte ein Landtagssprecher mit. Auch die Bundespolitik diskutiert über die Folgen der Ereignisse. Im Mittelpunkt steht dabei der Plan von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), ankommende Asylbewerber in sogenannten Ankerzentren unterzubringen. In diesen Sammeleinrichtungen sollen die Schutzsuchenden bleiben, bis ihre Anträge abschließend beschieden sind – einschließlich des Rechtsweges. Alle am Verfahren beteiligten Behörden sollen dort mit Personal vertreten sein. Dadurch sollen die Abläufe erheblich beschleunigt und abgelehnte Bewerber möglichst rasch abgeschoben werden. Die Piloteinrichtungen sollen Anfang September mit ihrer Arbeit beginnen.

Sind solche zentralen Großeinrichtungen – Seehofer hatte von 1000 bis 1500 Personen pro Zentrum gesprochen – die angemessene Antwort auf Probleme, wie sie in Ellwangen aufgetreten sind? Darum kreist die aktuelle Debatte. Von zwei sehr unterschiedlichen Seiten außerhalb der Politik kommen kritische Einwände: Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, mahnte, vor der Einrichtung der Ankerzentren „nochmals neu hinzugucken“. Falls solche Zentren kämen, müsse man umsichtig vorgehen: „Die Flüchtlinge dürfen da nicht rumlungern und nur verwahrt werden, das führt zu Aggressivität.“ Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, warnte ebenfalls: „Eine große Zahl von Menschen ohne Perspektive auf engem Raum unterzubringen führt zwangsläufig zu Konflikten.“ Er sieht einen Konstruktionsfehler der Zentren. Dort sollten vor allem Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive untergebracht werden. Das betreffe vor allem Menschen aus Ländern mit einer Schutzquote von unter 50 Prozent. Dieses Kriterium führe aber in die Irre. So erhielten Afghanen in Deutschland zwar nur in rund 47 Prozent der Fälle einen Schutzstatus. Aber mehr als 60 Prozent der Klagen abgewiesener Afghanen werden positiv beschieden. Da zudem keine Frauen und Kinder nach Afghanistan abgeschoben würden, bleibe die große Mehrheit der Flüchtlinge auf absehbare Zeit in Deutschland. Sie würden nun in Massenunterkünften monatelang kaserniert und von einer Integration ausgeschlossen.

SPD wartet noch auf ein Konzept

Die Argumente stoßen in der Politik nur begrenzt auf offene Ohren. „Die Ankerzentren sind ein entscheidender Schritt und die richtige Antwort auf Ellwangen“, sagte der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster unserer Zeitung. „Wenn wir es schaffen, die unzähligen am Asylverfahren beteiligten Behörden in den Zentren Schulter an Schulter arbeiten zu lassen, bedeutet das einen erheblichen Gewinn an Schnelligkeit.“ Ähnlich äußerte sich Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth. „Die Ankerzentren sollen sicherstellen, dass abgelehnte Asylbewerber nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden. Für die Frage der Rückführung ist das ein ganz entscheidender Punkt“, sagte er. Bei den Rückführungen gehe es um „ein ganz eindeutiges Signal zur Begrenzung von Zuwanderung“. Die SPD-Fraktion steht zwar zu den im Koalitionsvertrag vereinbarten Ankerzentren. Allerdings wies die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl darauf hin, dass die SPD „bisher noch kein Konzept von Horst Seehofer kennt“. Högl sagte unserer Zeitung: „Wir erwarten, dass er zügig darlegt, wie künftig verhindert werden soll, dass Menschen, die dort ohne sinnvolle Beschäftigung sind, sich selbst überlassen werden.“

Noch ein anderes Thema wird strittig debattiert. Seehofer hatte angeboten, dass die Bundespolizei die Ankerzentren schütze. „Wir wollen solche Zentren nicht bewachen – wir sind ausgebildete Polizeibeamte und kein Wachpersonal“, sagte GdP-Chef Malchow. Er frage sich, „warum wir Menschen, die hier Asylanträge gestellt haben, bewachen müssen, ihnen also die Freiheit nehmen müssen“. Auch der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sieht „keine Notwendigkeit“. Das Ellwanger Beispiel habe doch gezeigt, „dass die Landespolizei mit dem Ereignis gut umgehen konnte“.