Normalerweise werden Kinde in ihrem ersten Lebensjahr gegen Polio-Viren geimpft, eine Auffrischung erfolgt im Teenageralter. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Im Abwasser in deutschen Großstädten sind Polio-Viren nachgewiesen worden. Wächst damit auch die Ansteckungsgefahr mit Kinderlähmung im Südwesten? Der Landesgesundheitsminister Manfred Lucha ruft jedenfalls dazu auf, den Impfschutz zu überprüfen.

Das totgeglaubte Virus ist zurück: In Proben aus dem Abwasser vier deutscher Städte sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) Polioviren nachgewiesen worden. Betroffen seien München, Bonn, Köln und Hamburg.

 

Ob die Erreger der auch als Kinderlähmung bekannten Erkrankung im Südwesten kursieren, ist unklar: Bislang wurden in Baden-Württemberg keine Untersuchungen von Abwasserproben auf Polioviren durchgeführt, heißt es seitens des Landesgesundheitsministeriums. „Die Untersuchung von Abwasserproben aus einer Kläranlage in Baden-Württemberg wird ab sofort in das Untersuchungsprogramms des RKI aufgenommen“, sagt der Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne).

In einer öffentlichen Mitteilung ruft er allerdings die Baden-Württemberger dazu auf, ihren Impfschutz zu überprüfen: „In Baden-Württemberg bestehen teilweise erhebliche Lücken in Bezug auf die Impfung gegen Kinderlähmung“, sagt Lucha. „Insofern appelliere ich an alle Bürgerinnen und Bürger, den Impfschutz entsprechend den aktuellen Stiko-Empfehlungen zu überprüfen und bei Bedarf zu vervollständigen.“

Wie gefährlich ist Kinderlähmung?

Poliomyelitis – auch Polio oder Kinderlähmung genannt – ist eine hochansteckende Krankheit, die vor allem Kinder unter fünf Jahren betrifft und bei nicht ausreichend immunisierten Personen im schlimmsten Fall zu dauerhaften Lähmungen führen kann. Sie wird überwiegend mittels Schmierinfektion übertragen, in seltenen Fällen jedoch auch über Tröpfchen. Die Krankheit kann durch Polioimpfungen verhindert werden.

Woher kommen die im Abwasser gefundenen Polio-Viren?

Bei den gefundenen Erregern handelt es sich nicht um den Wildtyp des Poliovirus, sondern um Viren, die auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern zurückgehen.

Die kursierenden Erreger wurden wahrscheinlich von Menschen eingeschleppt, die in ihrem Land die vor allem in Afrika und Asien noch weit verbreitete Schluckimpfung erhalten haben. Die Viren können von Geimpften bis zu sechs Wochen lang ausgeschieden werden.

Wie ansteckend sind die Polio-Viren?

Bisher wurden keine Polio-Verdachtsfälle oder -Erkrankungen an das Bundesinstitut übermittelt. Das RKI weist darauf hin, dass hierzulande bei anhaltender Zirkulation des Erregers einzelne Erkrankungen unter nicht ausreichend geschützten Menschen möglich sind. Die Wahrscheinlichkeit sei aber aufgrund der allgemein hohen Impfquoten von bundesweit 90 Prozent und guten Hygienebedingungen in Deutschland gering.

Wie schütze ich mich vor einer Ansteckung mit Polio?

„Gute Händehygiene kann daher die Ansteckung und Verbreitung von Polio-Viren reduzieren. Der beste Schutz vor Erkrankung bleibt jedoch weiterhin ein vollständiger Impfschutz. Die in Deutschland eingesetzte Impfung ist hochwirksam und sicher“, sagt Gottfried Roller, Leiter des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg.

In der Regel wird der erste Impfschutz gegen Kinderlähmung im Säuglingsalter aufgebaut – und zwar im Alter von zwei, vier und elf Monaten. Eine routinemäßige Auffrischung erfolgt üblicherweise im Alter von 11 bis 16 Jahren. Eine weitere routinemäßige Auffrischimpfung für Erwachsene wird in Deutschland nicht empfohlen. Eine noch ausstehende Auffrischimpfung sollte jedoch auch im Erwachsenenalter nachgeholt werden.