Polnische Fans drücken ihrer Mannschaft die Daumen. Foto: dpa

Für das Gastgeberland ist die Europameisterschaft viel mehr als ein Fußball-Turnier. Die Musikerin Katarzyna Mycka erklärt, warum. Trotzdem kommt der Spaß nicht zu kurz.

Stuttgart-Degerloch – Die 1972 in Polen geborene Marimba-Solistin und Kammermusikerin Katarzyna Mycka zog 1993 aus ihrer Heimatstadt Danzig nach Stuttgart. Im Interview spricht sie darüber, was die Europameisterschaft für die Polen bedeutet und wem sie die Daumen drückt.


Frau Mycka, was machen Sie am Samstagabend, sagen wir 20.45 Uhr?
Da sitzt ich natürlich vor dem Fernseher, logisch. Auch einige polnische Freunde kommen zu Besuch.

Und was machen Sie am Sonntagabend?
Da gucke ich natürlich auch. Das Witzige ist ja, dass in der polnischen Mannschaft einige Leute spielen, die bei Borussia Dortmund eine führende Rolle haben. Lewandowski, Blaszczykowski, das sind unsere Hoffnungsträger. Und anders herum, mit Podolski und Klose, schlägt das Herz der Polen auch ein wenig für die deutsche Mannschaft. Da ist es ganz einfach, beiden Teams die Daumen zu drücken.

Sie sind gebürtige Polin und leben seit 1993 in Deutschland. Für wen jubeln sie?
Für Polen und für Deutschland, in dieser Reihenfolge. Vor so einem Spiel bin ich sehr aufgeregt. Es soll der Bessere gewinnen, und das Quäntchen Glück braucht ja jeder.

Polen und Deutsche könnten im Viertelfinale aufeinandertreffen. Was dann?
Ich glaube nicht, dass ein Dritter Weltkrieg ausbrechen wird. Wissen Sie, das Freundschaftsspiel im letzten Jahr wurde in meiner Heimatstadt Danzig ausgetragen. Polen hat lange Zeit geführt. Und ich habe gehofft, dass der Schiri rechtzeitig abpfeift. Aber leider hat er nicht abgepfiffen, und Müller hat noch ausgeglichen. Mein Vater sagt immer, die deutsche Mannschaft kämpft fast bis nach dem Pfiff, man ist erst sicher, wenn sie im Bus sitzt und abfährt, sonst schießen die noch ein Tor.

Sie sind ein echter Fan, Frau Mycka. Woher kommt das?
Ich weiß auch nicht. Eigentlich bin ich ja kein Fußball-Fan. Aber jetzt plötzlich, wenn die für mich interessanten Mannschaften spielen, dann ist das anders. Wenn man manche Fußballer mit dem Ball jonglieren sieht, geht einem ja das Herz auf.

Was ist denn ein typisch polnischer Fußball-Schlachtruf?
Man ruft ‚Polska gola‘, also ,Polen Tor‘. Wenn schon ein Tor gefallen ist, sagt man ‚jeszcze jeden‘, ,noch ein Tor‘.

Es gibt keinen Streit, wenn Sie für Polen jubeln und ihr Freund für Deutschland?
Nee, er versteht das. Für ihn ist es ja nur ein Spiel, und ich finde es trotzdem besser, wenn die Polen gewinnen.

Wie wichtig ist es für die Polen, die EM im eigenen Land zu haben?
Sehr wichtig. Im ganzen Land ist viel passiert, es wurde viel gebaut, nicht nur die Fußballstadien, sondern alles, was damit zusammenhängt. Die Autobahnen sind ausgebaut. Und die Polen sind mächtig stolz, dass so viel Arbeit gut lief und doch erfolgreich beendet ist.

Was halten Sie von der Diskussion um den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch?
Dazu sage ich gar nichts. Ich weiß zu wenig darüber. Aber ich finde es tragisch, wenn irgendwo Menschenrechte verletzt werden. Klar kann man sich davon distanzieren oder sagen, dass man so kein Turnier veranstalten will. Aber dann hätte man die Olympischen Spiele in Peking auch abblasen müssen.

Leidet das Bild Polens unter der Diskussion?
Ich glaube nicht. Wir haben damit ja nicht direkt zu tun. Und Polen unterstützt schon immer Freiheitsbewegungen aller Art. Die geografische Lage Polens zwischen Deutschland und Russland war nicht immer einfach.

Zurück zum Sport. Wer gewinnt morgen?
Ich hoffe ganz stark, dass es die Polen sein werden. Da ist gerade so eine bombastische Stimmung. Es ist noch alles drin.

Na dann Polska gola!
Polska gola!

Hab ich das richtig ausgesprochen?
Super. Da kann man nicht viel falsch machen, da sind keine Tzsch-Laute drin.