Mit Stöckelschuhen Krakau entdecken - fürs Foto geht das schon mal. Allerdings empfehlen sich auf Kopfsteinpflaster eher bequeme Treter. Foto: Weller

„Krakau auf Stöckelschuhen“ ist ein originelles und witziges Programm von Frauen für Frauen.

Krakau - MÄNNER: Am Stuttgarter Flughafen, morgens halb zehn. Am Gate nebenan geht’s nach Palma de Mallorca, eine Männertruppe, alle Klischees erfüllend: bierbäuchig in kurzen Hosen die meisten Typen, einer mit weißem Häkelmützchen und weißer Jeans als DJ Ötzi verkleidet. Sie stoßen bereits mit dem zweiten Pils an und lachen laut. Man will gar nicht wissen, was sie auf Malle vorhaben, aber man kann sich’ s denken . . . Wir fliegen nach Krakau. Am Flughafen dort lauter gut gekleidete Taxifahrer. Unserer mit Bügelfaltenhose, rosa Hemd, Jackett, Sonnenbrille und grauen Schläfen, dezentes Aftershave. Spricht Englisch mit rollendem „r“. Aus den Boxen dröhnt Bruce Springsteen, die Stoßdämpfer sind im Eimer, das Taxi schaukelt ein bisschen wie eine Sänfte. Krakau, wir kommen!

FRAUEN I: Kasia (32), die eigentlich Katarzyna Hoffmann heißt, und Aneta Kawa (31), deren Nachname Kaffee bedeutet, sind ein eingespieltes Team. „Wir haben uns schon während des Studiums kennengelernt“, erzählt Aneta. Die beiden haben das Programm „Krakau auf Stöckelschuhen“ entwickelt. Sie betreiben schon seit neun Jahren die Sprachschule Varia Polish Language Center in Krakau, in der sie Ausländern und Touristen die polnische Sprache vermitteln. Die beiden jungen Frauen, die Mütter von jeweils zwei kleinen Kindern sind, haben nichts gegen Männer (sie haben selber welche). Aber sie haben eine ganz eigene Vorstellung davon, was Frauen an einer Stadt interessieren könnte. Das geht los bei Kunst und Kultur - und endet bei Kochen und (Ein-)Kaufen. Wie entspannt das Programm ist: Massage und Maniküre in einem Day-Spa, Atelierbesuch bei der Krakauer Künstlerin Iwona Siwek-Front ( www.siwekfront.com) , die meist Frauen malt, Stadtrundgänge mit Zeit zum Schauen und Shoppen, ein bisschen Nightlife. Und viele Gespräche, die sich unter anderem um die privaten Lebensumstände, die Vereinbarkeit von Karriere und Kindern oder schöne Schuhläden drehen, ohne dass einer die Nase rümpft. Kasia und Aneta geben auch Infos zu den typischen Sehenswürdigkeiten, die man in Eigenregie anschauen gehen kann - die Marienkirche mit dem berühmten Hochaltar des in Horb am Neckar geborenen Bildhauers und -schnitzers Veit Stoß, die mächtige Burganlage Wawel, einst Residenz der polnischen Könige, das Museum Schindlers Fabrik. Oder das zehn Kilometer entfernte Salzbergwerk Wieliczka, wie Krakaus Altstadt Unesco-Weltkulturerbe.

STADTLEBEN: Krakau, Kulturhauptstadt Polens, hat rund 750 000 Einwohner, davon 150 000 Studenten, acht Millionen Touristen pro Jahr, eine quirlige Mischung. Die Teilnehmerinnen sind nahe dem Marktplatz mit seinem unnachahmlich mediterranen Flair, einem der größten und schönsten Europas, in einem Apartment einquartiert. „In der Altstadt wird oft bis um 4 Uhr morgens gefeiert“, sagt Aneta. Stimmt. Am Wochenende sogar noch länger. Musik dringt aus den unzähligen Bars, Clubs, Jazzkellern und Restaurants auf den 200 mal 200 Meter großen Platz und in die umliegenden Straßen. Hier sind meist Cliquen unterwegs, junges Publikum. Man hört sie, laut lachend und kichernd, auf ihrem Heimweg nach einer langen Nacht. Um 7, spätestens halb acht Uhr rollen schon wieder Müllabfuhr und Lkw mit neuen Bierfässern an, die geräuschvoll ausgeladen werden. Hintergrundrauschen einer Stadt in Partylaune. POLNISCH: Wer sich in der Landessprache verständigen kann, dem öffnen sich die Herzen der Menschen - das gilt natürlich auch in Krakau. Wir machen also einen Polnischkurs (Kurs polskiego) und pauken mit Ola (44) eineinhalb Stunden diese Sprache mit den vielen verflixt aneinandergereihten Konsonanten. Immerhin können wir danach solche einfachen Dinge sagen wie „Guten Tag“ (Dzie n ´ dobry), „Entschuldigung“ (Przepraszam), „Bitte“ (Prosz e ˛) oder „Danke“ (Dzi e ˛kuj e ˛). Und natürlich auch „Prost“ (Na zdrowie)!

ESSEN: Liebe geht durch den Magen, auch in Polen. Also absolvieren die Teilnehmerinnen auch einen Piroggen-Kochkurs. Piroggen, ein Nationalgericht, sind halbrunde Teigtaschen mit diversen Füllungen, Maultaschen nicht unähnlich. Wie oft, wenn etwas „wie bei Muttern“ schmeckt, handelt es sich um einfache, preiswerte Zutaten, die mit Herzblut und Gefühl verarbeitet werden. Unter fachkundiger Anleitung von Kasia und Aneta werden wir in die Geheimnisse der Herstellung von Pierogi ruskie, russischer Piroggen, eingeweiht. In mit Kaffeetassen ausgestochene Kreise aus einem dünn ausgerollten Teig aus Mehl, Eiern, Wasser und etwas Öl kommt je ein großer Teelöffel einer Farsz (Füllung) aus gekochten Kartoffeln, goldgelb angeschwitzten Zwiebeln, polnischem Weißkäse, Salz und Pfeffer. In der Mitte zusammenklappen, Ränder festdrücken, dann die kleinen Kunstwerke portionsweise in Salzwasser köcheln, bis sie oben schwimmen. Dauert jeweils drei bis vier Minuten. Obendrauf noch ein paar Zwiebeln, fertig. Man kann die Nudeltäschchen auch mit Kraut und Pilzen oder mit Erdbeeren füllen - „die mögen meine Kinder besonders“, erzählt Kasia. Smacznego (guten Appetit)!

VERSUCHUNG: Johannes Paul II., geboren als Karol Józef Wojtyła in Wadowice, ist in Krakau allegegenwärtig. Besonders im Palais in der Franziskanska-Straße, wo er wohnte und wo das „Papstfenster“ auch sieben Jahre nach seinem Tod stets mit Blumen geschmückt ist. Ansonsten sieht man ihn als Statue, auf Postkarten und anderen Souvenirs verewigt. Mit Aneta und Kasia nähert man sich Johannes Paul II. kulinarisch: Kaffeeklatsch mit Kremówka papieska, einem gehaltvollen Kuchen aus Blätterteig mit Creme-Pudding-Füllung, das Ganze unter einer dicken Schicht Puderzucker, einst des Papsts Lieblingsgebäck. Eine himmlische Sünde! Sündig auch die unterm Ladentisch versteckten Schoko-Erotika in der Lwowska Manufaktura Czekolady, einer Schokoladenmanufaktur mit angeschlossenem Café in der Szewska-Straße 7 nahe dem Marktplatz (www.chocolate.krakow.pl), in der es betörend süßlich-herb-schokoladig duftet. Selbstverständlich werden hier überwiegend jugendfreie Köstlichkeiten feilgeboten - zum Beispiel Schoko- Stöckelschuhe.

 FRAUEN II: Stadtführerin Agnieszka (36) wartet mit besonderen Hotspots auf. Einen Super-Panoramablick hat man etwa von der Dachterrasse der Musikakademie, Tomasza-Straße 43 (bis 17 Uhr geöffnet). Dort oben sitzen wir zwischen den Studenten in der Sonne und unterhalten uns über wichtige Frauen, die hier in der Stadt gewirkt haben - wie die polnische Lyrikerin und Literaturnobelpreisträgerin Wistawa Szymborska, die am 1. Februar in Krakau gestorben ist. Wir lesen ihr Gedicht „Frauenbildnis“ mit verteilten Rollen - wie wunderbar ihre Sprache war! Wir besuchen auch den sonntäglichen Flohmarkt im früheren jüdischen Viertel Kazimierz - dort wird überwiegend Bekleidung (für Frauen) angeboten: gut erhaltene, modische, teils verrückte Sachen. Einen Rock samt Oberteil zusammen für unter zwölf Euro zu ergattern, ist kein Problem. Kazimierz ist heute ein beliebtes Ausgehviertel, hier gibt es etliche jüdische Restaurants und Klezmermusik. Agnieszka ist wie viele berufstätige Mütter selbstständig. So könne man sich die Arbeitszeit gut einteilen, erfahren wir beim Stadtrundgang, zu dem wir übrigens nicht Stöckel-, sondern Turnschuhe tragen (Kopfsteinpflaster!), „polnische Frauen bekommen ihre Kinder meist gleich nach dem Studium, mit etwa 25.“ Sie selbst hat zwei Söhne und eine Tochter. Sie zeigt uns das renovierte Geburtshaus der US-Kosmetikunternehmerin Helena Rubinstein - auch diese erfolgreiche Frau war gebürtige Krakauerin. „Do widzenia“ (auf Wiedersehen), das ist gar keine Frage. Vielleicht das nächste Mal aber doch mit Mann - macht ja auch Spaß.

Infos zu Krakau

Anreise
Günstige Direktflüge von Stuttgart nach Krakau mit Germanwings, www.germanwings.de ; von Frankfurt, München und Stuttgart über Berlin mit Air Berlin, www.airberlin.de .

Krakau auf Stöckelschuhen
 Varia Center of Polish Language, www.varia-course.com , ul. Michalowskiego 2/3 (Michalowskiego-Str. 2/3), Telefon +48 12 / 6 33 58 71.

Stadttrip nur für Frauen, fünf Tage inklusive Unterkunft in einem Apartment (im DZ; Einzelzimmer gegen Aufpreispauschale von 60 Euro) und Programm, 260 Euro pro Person. Die nächsten Termine: 17. bis 21. Mai, 16. bis 20. August, 13. bis 17. September.

Der Jury des Sonntag Aktuell Touristikpreises 2012 hat das witzige Programm ebenso gefallen wie die klare Ausrichtung auf eine Zielgruppe - „Krakau auf Stöckelschuhen“ ist deshalb mit einem Preis ausgezeichnet worden. Unser Aufenthalt wurde von einem TV-Team des NDR begleitet. Ausgestrahlt wird der 45-Minuten-Beitrag „Magisches Krakau“, der sich auch „Krakau auf Stöckelschuhen“ widmet, am Sonntag, 20. Mai, 18 Uhr, in der Reihe „Hansablick“.

Allgemeine Informationen
www1.krakow.pl/de/ (teils Englisch, teils Deutsch), www.wikivoyage.org/de/Krakau ; Marco-Polo-Reiseführer Krakau, 9,95 Euro